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Taliban stürmen erneut nordafghanische Stadt Kundus

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Aufständische greifen strategische Metropole von vier Seiten an.


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Kabul. Die radikal-islamischen Taliban haben einen koordinierten Angriff auf die nordafghanische Stadt Kundus gestartet. Der Sturm der Aufständischen auf die fünftgrößte Stadt Afghanistans begann Sonntagnacht, wie afghanische Medien berichteten. Auch am Montag dauerten die Kämpfe zwischen der Armee und den Taliban innerhalb und außerhalb von Kundus an. Die afghanische Armee begann mit Luftschlägen gegen Posten der Taliban außerhalb von Kundus.

Die Bundeswehr hatte zehn Jahre lang bis Ende 2013 in Kundus ein großes Feldlager mit mehr als 1000 Soldaten und Soldatinnen unterhalten.

Der Angriff der Taliban auf Kundus erfolgte einen Tag vor Beginn der internationalen Geber-Konferenz für Afghanistan in Brüssel, auf der knapp 70 Staaten über Aufbau und Stabilisierung des Landes beraten wollen. Vor fast genau einem Jahr hatten die Taliban die strategisch wichtige Stadt im Norden bereits für kurze Zeit unter ihrer Kontrolle gehabt.

"In den frühen Morgenstunden hat eine massive Operation von vier Seiten auf die Stadt Kundus begonnen", erklärte Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid am Montag über das soziale Netzwerk Twitter. Seinen Angaben zufolge haben die Aufständischen den Stadtteil Nawabad eingenommen. Berichten zufolge sollen sich Taliban-Kämpfer auch in Häusern im Stadtzentrum verschanzt haben und die wichtigsten Zufahrtsstraßen nach Kundus kontrollieren. Nach Angaben afghanischer Medien haben die Taliban ihren Einfluss in der Provinz Kundus inzwischen so ausgeweitet, dass sie bereits den Unterrichtsstoff für mehr als die Hälfte aller Schulen bestimmen und Lehrer und Schulleiter auswählen, die ihr radikal-islamisches Weltbild weitergeben.

Schwache afghanische Armee

Der Fall von Kundus an die Taliban vor einem Jahr war ein schwerer Schlag für die vom Westen gestützte Regierung in Kabul. Es war das erste Mal, dass es den Taliban seit ihrem Sturz 2001 gelungen war, eine Provinzstadt zu kontrollieren. Der erneute Sturm der Taliban auf Kundus zeigt die Schwäche der afghanischen Truppen im Kampf gegen die Aufständischen und unterstreicht das Gesamtbild des schwindenden Einflusses der Regierung unter Präsident Aschraf Ghani.

Am Montag nahmen die Taliban im Süden des Landes den benachbarten Distrikt von Lashkar Ghar in der Provinz Helmand ein. Im Osten des Landes gingen die schweren Kämpfe um Tarin Kot, der Provinzhauptstadt von Uruzgan, weiter. In der Hauptstadt Kabul wurden mindestens zwei Menschen von einem Sprengsatz, der auf ein Fahrrad montiert war, getötet.

Der Krieg gegen die Taliban, der vor knapp 15 Jahren begann, hat trotz massiver finanzieller und militärischer Unterstützung des Westens wenig greifbare Erfolge gebracht. Anfang des Jahres warnte John Sopko, der US-Generalinspektor für den Wiederaufbau Afghanistans, dass das Land in einen "gefährliche Lage" zurückgefallen sei. Allein die USA haben 800 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau Afghanistans ausgegeben. Bei dem Konflikt sind über 3400 US- und Nato-Soldaten ums Leben gekommen und mehr als 21.000 afghanische Soldaten und wenigstens 31.000 Zivilisten getötet worden. Seit dem Ende der offiziellen Nato-Kampfmission im Dezember 2014 haben sich die Bodengefechte im Lande ausgeweitet - auch auf Kosten der Zivilbevölkerung. In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden 1601 Zivilisten getötet - die höchste Zahl seit Beginn der Erhebungen im Jahre 2009.