Spekulation um Tod von Taliban-Chef. | Mullah Omar schützte Bin Laden. | Dubai. Der Tod von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan hat eine gefährliche Dynamik in der Region ausgelöst. Eine Gruppe von Terroristen besetzte in der Hafenstadt Karachi eine wichtige Militärbasis und demütigte damit Pakistans mächtigste Institution. Der Angriff, bei dem mindestens zwölf Soldaten starben, sei ein Racheakt für den Tod Osama bin Ladens, sagte ein Taliban-Sprecher: "Dies ist der Beweis, dass wir immer noch mächtig sind und zusammenhalten."
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Eine Gruppe von etwa 20 islamistischen Kämpfern war am Sonntagabend in die Militärbasis mitten in Pakistans größter Stadt eingedrungen. Erst 16 Stunden später gelang es der Armee, die Kontrolle über ihre eigene Anlage wiederzuerlangen. Die Aktion war ein weiterer Schock für Pakistans mächtiges Militär, das nach dem Einsatz der US-Kommandos auf pakistanischem Boden gegen Osama bin Laden ohnehin blamiert dasteht. Die Taliban verüben gewöhnlich einfachere und schnellere Angriffe auf leichtere Ziele. Dies könnte ein Anzeichen dafür sei, dass der Tod Bin Ladens die verschiedenen Terrorgruppen in Pakistan zusammengeschweißt hat.
Auch in Afghanistan haben die Taliban am Montag wieder zugeschlagen. Vier Soldaten der Nato-geführten Isaf-Truppe starben bei der Explosion einer Bombe. Seit Beginn des Jahres sind damit 188 Isaf-Soldaten in Afghanistan getötet worden.
Verwirrung um Omar
Derzeit kursieren hartnäckig Gerüchte, dass Mullah Omar, der Führer der afghanischen Taliban, nicht mehr am Leben sei. Er gilt als Haupthindernis für einen Friedenspakt mit den aufständischen Taliban in Afghanistan. Laut Angaben des afghanischen Geheimdienstes soll der einäugige Top-Terrorist bereits seit einigen Tagen verschwunden sein.
Der Ex-Regierungschef des Taliban-Regimes in Afghanistan in den 1990er Jahren soll sich seit Jahren in der Stadt Quetta in Pakistan aufhalten. Omar hatte der Al-Kaida und auch bin Laden in Afghanistan Zuflucht gewährt. Der Taliban-Gründer war nach der amerikanischen Militärintervention in Afghanistan Ende 2001 aus dem Land geflohen. Seither fehlt von ihm jede Spur.
Immer wieder gab es Spekulationen, dass Pakistan Omar beherbergt, um so Einfluss auf den Guerilla-Krieg in Afghanistan zu nehmen. Pakistan hatte die Taliban mit amerikanischem und saudischem Geld gegen die damalige Sowjetunion in Afghanistan ausgerüstet.
Nach dem Tod Bin Ladens steht Pakistan unter großem Druck: Der Verdacht besteht, das islamische Land verstecke bewusst hochrangige Taliban- und Al-Kaida-Terroristen, um sie später gewinnbringend für eigene Zwecke einzusetzen. Das Interesse, dass nach Bin Laden nun auch Omar in Pakistan aufgefunden wird, ist daher gering. Der Sprecher des afghanischen Geheimdienstes NDS, Lutfullah Mashal, sagte im afghanischen Fernsehen, Omar habe Quetta vor zwei Tagen verlassen. Der frühere Chef des pakistanischen Geheimdiensts, Hamid Gul, habe ihn aus der Stadt herausgeschafft. Gul tat dies als "lächerlich" ab. Ein Sprecher der afghanischen Taliban sagte, Omar sei "am Leben und in Sicherheit".