Nach dem folgenschweren NATO-Luftangriff mit zahlreichen Toten in Nordafghanistan haben die radikalislamischen Taliban Rache geschworen. "Wir werden uns rächen", sagte ein vermummter Taliban-Kämpfer am Samstag. "Hier wurden viele unschuldige Menschen getötet."
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Der Angriff auf zwei von den Taliban entführte Tanklaster war von der Deutschen Bundeswehr angefordert worden. Der Kommandant der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF, Stanley McChrystal, versprach eine vollständige Aufklärung des Vorfalls.
McChrystal besuchte am Samstag persönlich den Ort des Bombardements. Zuvor hatte er sich bereits in einem ungewöhnlichen Schritt in einer Fernsehansprache an die Afghanen gewandt. Die deutsche Regierung verteidigte den Luftangriff und betonte, dass er aufgrund einer "klaren Bedrohungslage" erfolgt sei.
Verteidigungsminister Franz-Josef Jung sagte der Bild am Sonntag, dass die Taliban mit den Tanklastzügen einen Anschlag auf den wenige Kilometer entfernten deutschen Stützpunkt in Kunduz verüben wollten. Ein solcher Anschlag, der "entsetzliche Folgen für unsere Soldaten" gehabt hätte, sei durch das Bombardement verhindert worden. "Deshalb halte ich die Entscheidung des deutschen Kommandeurs vor Ort für richtig."
Von den EU-Partnern hagelte es jedoch Kritik am Vorgehen der Bundeswehr. Der spanische Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero bezeichnete den Angriff als "nicht hinnehmbar", der französische Außenminister Bernard Kouchner sprach von einem "großen Fehler" und der schwedische Außenminister Carl Bildt sagte namens der EU-Ratspräsidentschaft: "Wir gewinnen diesen Krieg nicht, indem wir töten."
Im Dorf Yakubi nahe des Angriffsortes weinten und beteten am Samstag Dutzende Bewohner an den Gräbern von Opfern. Auch bewaffnete Taliban-Kämpfer waren bei den Beerdigungen zugegen. Ihre Anwesenheit zeugte vom Wiedererstarken der Islamisten in einer Gegend, die noch vor Kurzen von der Regierung kontrolliert wurde. Ein 54-jähriger Dorfbewohner sagte, alle Familien hätten Opfer zu beklagen. Ganze Familien seien ausgelöscht worden. Nach Angaben von Dorfältesten wurden in Yakubi 50 Menschen beerdigt, weitere 70 wurden demnach in umliegenden Dörfern zu Grabe getragen. Nach Einschätzung des Roten Kreuzes und afghanischer Regierungsvertreter wird die Zahl der Opfer möglicherweise nie genau ermittelt werden.
(APA)