Europa-Standard bei Kontrollen. | Bewegungsfreiheit im Stadion. | Johannesburg. Bei vergangenen Fußballgroßereignissen wurde das Thema Sicherheit vor allem über zwei Aspekte verhandelt: Hooliganismus und Terrorgefahr. In Südafrika stehen diese Sorgen im Hintergrund. Terroristische Akte gelten als unwahrscheinlich, und auch von Gewalt suchenden Fußballfans dürfte nur bedingt Gefahr ausgehen.
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"Wir betrachten Hooliganismus nicht als großes Risiko, weil wir im Vorfeld Maßnahmen ergriffen haben und mit Behörden in zahlreichen Ländern zusammenarbeiten", sagt Polizeisprecherin Sally de Beer unter Verweis auf Ausreisesperren, die es aktenkundigen Hooligans erst gar nicht ermöglichen sollen, nach Südafrika zu gelangen. Jenen, die trotzdem kommen, droht eine Abschiebung in ihre Heimatländer. Bisher haben die südafrikanischen Behörden zwölf Personen - elf Argentiniern und einem Engländer - die Einreise verweigert. Die ersten drei WM-Tage scheinen die Einschätzungen De Beers zu bestätigen. Alle bisherigen Spiele verliefen friedlich, selbst jene mit einem gewissen Risikopotenzial. Zu Problemen kam es weder beim Argentinien-Match gegen Nigeria in Johannesburg noch im Rahmen der Begegnung zwischen England und den USA in Rustenburg, wo wegen der Anwesenheit von US-Vizepräsident Joe Biden besondere Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden waren.
Alles fürs Image
Einzig in Polokwane wurden zwei algerische Fans vorübergehend in Gewahrsam genommen. Sie hatten im Spiel gegen Slowenien versucht, die Flutlichtmasten des Peter Mokaba Stadiums zu erklimmen, wurden nach Bezahlung einer Geldstrafe von 300 Rand (rund 30 Euro) aber wieder freigelassen.
Das Sicherheitsthema ist dennoch allgegenwärtig in Südafrika. Angesichts extremer sozialer Gegensätze und der beispiellos hohen Kriminalitätsrate steht vor allem das Wohl der rund 300.000 erwarteten WM-Touristen im Fokus der Veranstalter. Der riesige Medientross, der sich zur WM ein Stelldichein gegeben hat, soll ein möglichst positives Bild von der 19. WM-Endrunde in die Welt schicken.
Vorfälle wie der Einbruch in ein Hotelzimmer eines neuseeländischen Fernsehteams in Rustenburg, bei dem am Sonntag Kameras und Equipment im Wert von rund 55.000 Euro entwendet wurden, sind diesem Plan nicht zuträglich. Doch auch wenn dieses Beispiel keinen Einzelfall darstellt - bereits in der Vorwoche gab es Überfälle auf Journalisten und Fans -, sind größere Zwischenfälle mit verletzten oder gar getöteten WM-Touristen bisher ausgeblieben.
Rund um die Stadien, Fanzonen, Hotels und Innenstädte wird ein enormer Aufwand betrieben, um den Besuchern ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Der Johannesburger Stadtteil Doornfontein, ein von afrikanischen Immigranten geprägtes und ansonsten von Weißen weitgehend gemiedenes Viertel, präsentierte sich anlässlich der Begegnung zwischen Argentinien und Nigeria am Samstag als Hochsicherheitszone, in der keiner der 55.000 Besucher etwas zu befürchten hatte: Die Szenerie rund um den weiträumig abgeriegelten Ellis Park war geprägt von freundlichen Sicherheitskräften und Ordnern, die den Fans mit Rat und Tat zur Seite standen und sie anwiesen, an den Straßensperren auf ihre Busse oder Taxis zu warten.
Die Einlasskontrollen standen europäischen Standards um nichts nach. Nur wer ein Ticket vorweisen konnte, gelangte nach dem Durchschreiten von Metalldetektoren auf den Stadionvorplatz, Taschen und Rucksäcke wurden wie auf Flughäfen durch eigene Scanner geschickt. Die Drehkreuze sind zudem mit einem elektronischen Ticketsystem ausgestattet.
Lockerer als bei vergangenen Turnieren ist die Ordnungspolitik in den Stadien. Die Zuschauer können sich relativ frei bewegen, was sich positiv auf die Stimmung auswirkt. Beim 1:0-Sieg Ghanas über Serbien in Pretoria tanzte eine Gruppe afrikanischer Fans, die sich spontan vor den Abgängen des Unterrangs des Stadions gebildet hatte, hinter den Absperrungen zum Spielfeld eine halbe Stadionrunde bis zur gegenüberliegenden Tribüne. Ein Zugeständnis an die Fußballbegeisterung, das bei der WM 2006 in Deutschland wohl nicht möglich gewesen wäre und den ordnungswütigen hohen Herren der Fifa hoffentlich entgangen ist. Die Sicherheit war dadurch nämlich nicht gefährdet.