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Die Slowenen stimmen am Sonntag über ein Grenzabkommen mit Kroatien ab. Sind sie dagegen, könnte eine Lösung des Streits der beiden Länder wieder außer Sichtweite rücken.
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Giuseppe Tartini schaut gar nicht hin. Sein Blick - besser: der seiner Statue - ist nicht auf das Meer gerichtet, sondern auf die dreistöckigen Bürgerhäuser am Rande des halbrunden Platzes. Doch einst war dort Wasser, wo jetzt das Denkmal des im 18. Jahrhundert lebenden Geigers und Komponisten steht. Vor etwas mehr als hundert Jahren war es der Hafen von Piran, der mit der Zeit zu klein wurde und zur Müllkippe verkam. Er wurde zugeschüttet und eine Piazza nach venezianischem Muster entstand, benannt nach dem in Piran geborenen Tartini. Damals gehörte Istrien noch zur k.u.k.-Habsburgermonarchie.
Viele Herren hat die Gegend zwischen dem italienischen Triest und dem nun kroatischen Pula im Laufe der Jahrhunderte gesehen: Griechen, Römer, Byzantiner, Slawen und Venezianer. Italienische und österreichische Könige. Später gab es Jugoslawien. Und auch das zerfiel. Mittlerweile sind Slowenien und Kroatien eigenständige Staaten.
Die gemeinsame Vergangenheit wirkt aber nach. Was sich etwa in Gebietsansprüchen ausdrückt.
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Doch noch vor kurzem schien es, als ob der Grenzstreit zwischen Ljubljana und Zagreb um die Bucht von Piran und ein paar Flecken Erde bald der Geschichte angehören würde. Der slowenische Premier Borut Pahor und seine kroatische Amtskollegin Jadranka Kosor haben ein Abkommen unterzeichnet; ein internationales Schiedsgericht soll den Grenzverlauf bestätigen. Slowenien hat die Blockade der kroatischen EU-Beitrittsverhandlungen aufgegeben, und in Zagreb ist das Grenzabkommen bereits ratifiziert. Es fehlt nur noch die Ratifizierung in Ljubljana.
Allerdings sollen nun die Slowenen über den Vertrag abstimmen. Und der Ausgang des Referendums kommenden Sonntag ist alles andere als gewiss. Sollte das Abkommen abgelehnt werden, könnte eine Lösung des Streits wieder außer Sichtweite rücken.
Schon wirbt Oppositionsführer Janez Jansa, der vor Jahren selbst Premier war, für ein Nein beim Referendum. Und seine rechtsgerichtete Demokratische Partei stilisiert die Angelegenheit beinahe zu einer Existenzfrage für Slowenien hoch, historische Parallelen ziehend. Auf riesigen Plakaten erklärt sie: "Sie haben uns Kärnten, Triest und Görz weggenommen. Das Meer geben wir nicht her." Die Aufforderung an die Landsleute lautet daher: "Stimmt dagegen."
Es geht nämlich nicht zuletzt um Fischereigründe und den Zugang Sloweniens zu internationalen Gewässern. Dass dies gesichert sei, kann Ministerpräsident Pahor noch so oft wiederholen - die Opposition argumentiert, dass das Land vom Zugang abgeschnitten wird. Das wäre tatsächlich der Fall, wenn die Bucht von Piran in der Mitte geteilt werden würde, so wie es die Kroaten einst verlangt hatten. Doch zumindest einen Korridor zu internationalen Gewässern könnte Ljubljana in das Schiedsverfahren hineinverhandeln.
Nach außen hin geben sich die Politiker in Zagreb vor der Abstimmung im Nachbarland gelassen. Doch auch sie wissen, dass ihnen die Opposition jenseits der Grenze Probleme bereiten kann, sollte eine Mehrheit der Slowenen gegen das Abkommen stimmen. Denn spätestens bei der Ratifizierung des kroatischen EU-Beitrittsvertrags ist die Regierung in Ljubljana auch auf die Stimmen der Opposition angewiesen.
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Giuseppe Tartini, der in Piran geborene Geiger, hat in Padua studiert, in Assisi gearbeitet und mehrere Jahre in Prag gelebt. Einen Pass für seine Reisen hat er nicht gebraucht. Eine Europäische Union hat es damals nicht gegeben. Dafür ein Europa.