Rumänen versuchen ihr Image mit einem Stück Leinen zu verbessern.
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Wien. Ein konspiratives Grüppchen hat sich im Bieramt am Heumarkt im 3. Bezirk zusammengefunden. 40 Männer und Frauen sitzen an den Tischen, lachen, singen, palavern. Eine gewöhnlich heitere Runde, würde man meinen, wäre da nicht der spezielle Dresscode bei den Frauen. Sie alle tragen weiße Leinenblusen mit bunten Stickereien drauf. Diese Männer und Frauen haben einen Plan: Überall, wo auf der Welt Frauen weiße Leinenblusen mit Stickereien tragen, soll man sagen "ah... die rumänische Bluse." Willkommen bei der Taskforce "Rumänische Bluse". Auf der ganzen Welt hat sie Stellung bezogen, so auch in Wien. Ihre Mission: die weiße Bluse als Rumäniens Nationalheiligtum unters Volk zu bringen. Was der Eiffelturm für Frankreich ist, die Mozartkugeln für Österreich und die Pizza für Italien, soll die Bluse für Rumänien werden. Nationbranding im Schnellverfahren. Der Clou: Hinter der Aktion steht weder ein PR-Agentur noch ein Ministerium. Die Aktion geht vom internetaffinen Volk aus.
Bereits 25.000 Anhänger
"Ich denke, die rumänische Bluse ist ein wunderbarer Grund dafür stolz zu sein, dass wir Rumäninnen sind. Gründe zum Schämen haben wir leider oft genug", sagt Timea Laslavic. Die Übersetzerin ist eine der Organisatoren der Wiener Aktionsgruppe für das Kleidungsstück. Über Facebook kam die Dreißigjährige auf die Idee, eine Gruppe Mitstreiter um sich zu scharen. Seit Jänner gibt es die Facebookgruppe "La Blouse Roumaine", die sich dem textilen Anliegen gewidmet hat. Ihr Name geht zurück auf eine Serie des französischen Künstlers Henri Matisse, der die Frauen in den rumänischen Blusen verewigt hat. Mehr als 25.000 Anhänger hat die Facebookgruppe bereits. Wer sie ins Leben gerufen hat, ist unklar. Vergangenen Montag erklärte man kurzerhand den 24. Juni zum ersten internationalen Tag der rumänischen Bluse.
Politikerinnen machen mit
Die Gruppe "La Blouse Roumaine" hat Rumänen weltweit dazu bewegt, in 48 Ländern die traditionelle Bluse anzuziehen und 143 Feierlichkeiten zu organisieren. Der Aktion schlossen sich auch rumänische Botschaften, Kulturinstitute und internationale Organisationen an. Flugbegleiterinnen der rumänischen Fluggesellschaft "Tarom" trugen an dem Tag die traditionelle rumänische Bluse. Rumänische Politikerinnen zeigten sich am Montag in der nationalen Tracht.
"Meine Bluse habe ich als Geschenk bekommen. Sie wurde bei einer Auktion gekauft. Ich weiß, sie ist sehr wertvoll", sagt Laslavic vor der Runde ihrer Mitstreiter im Wiener Gasthaus. Ein jeder weiß hier, aus welchem Teil des Landes seine Bluse stammt, was die Stickereien bedeuten und zu welchem Anlass sie das erste Mal getragen wurde. Die weißen, traditionellen Oberteile aus leichtem Leinen, Seide oder Baumwolle werden je nach Region mit unterschiedlichen Mustern und Farben händisch gestickt. Die Schmuckstücke der Festtagskleidung wurden von Generation zu Generation vererbt.
"Meine Bluse kommt aus Bukovina, ich bin die vierte Generation, die sie tragen darf", sagt eine junge Studentin. "Meine Bluse ist sehr alt, ich habe sie am Dachboden gefunden und meine Mutter meinte, sie gehört mir. Wenn sich jemand hier besser auskennt, würde ich gern wissen, aus welcher Region sie sein könnte", sagt eine IT-Technikerin. Rund um den Tisch sitzt die Informatikerin, die erst nach Wien gekommen ist neben dem Spar-Verkäufer, der seit 20 Jahren hier lebt, die Anthropologiestudentin neben dem OMV-Berater, die Bank-Angestellte neben dem Teilzeitkellner. Das Einzige was sie heute verbindet, ist die rumänische Bluse, die sie anhaben. Einige tragen eine handgefertigte, von ihrer Oma aufwendig selbst verzierte Bluse, andere haben sich bei rumänischen Freunden eine traditionelle Bluse ausgeborgt oder eine Imitation gekauft.
Die Musikerin Diana Rasina und die Band "Ana & Friends" singen im Bieramt rumänische Volkslieder und erzählen über den alten Brauch, der am 24. Juni eigentlich in Rumänien gefeiert wird. Der 24. Juni wurde deswegen als Tag der rumänischen Bluse ausgewählt, weil an dem Tag die "Sanziene" gefeiert werden. Dem heidnischen Brauch entsprechend tanzen an diesem Tag im Dorf Mädchen und Burschen um junge Waldfeen, den Sanzienen, um für fruchtbaren Boden, gute Ernte und Kindersegen zu bitten. Die alten Lieder handeln von jungen Männern, die in die weite Welt gereist sind, um auf fremden Feldern zu arbeiten, von der Freude im Frühling und die Angst vor dem Winter und von schönen Frauen mit geflochtenem Haar - und ihren weißen Blusen.