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Der Fall Abdullah Öcalan warf lange Schatten · bis ins Plenum des österreichischen Nationalrates. So kam es, daß der Sicherheitsbericht 1997 fast nur am Rande einer Kurden-Debatte abgehandelt
wurde. Es ging um die Strategien der Exekutive rund um Botschaftsbesetzungen durch radikale Kurden und PKK-Aktivisten in Wien. Der Innenminister gab dazu nochmals eine Erklärung ab, in der er mehr
oder weniger die gewaltfreie Taktik der Sicherheitskräfte im Sinne eines "österreichischen Weges" nachträglich legitimierte.
Dies fand zwar die Zustimmung der liberalen und grünen Opposition, doch Redner der ÖVP und der FPÖ sahen im "Prinzip Gewaltlosigkeit" auch die Rechtsstaatlichkeit gefährdet. Es war dann auch die
Sicherheitssprecherin Helene Partik-Pablé, die dem Innen- und dem Justizminister vorwarf, die Sicherheitsbehörden seien auf dem linken und kurdischen Auge blind, denn bei den Briefbombenermittlungen
habe man unverzüglich Hausdurchsuchungen gegen die Abonnenten eines national-gestimmten Periodikums angeordnet.
Die quasi Fusion der Sicherheitsbilanz mit der Kurdenfrage führte dazu, daß jene Plenumsbeiträge, die sich am 25. Februar tatsächlich mit dem Tatort Österreich beschäftigten, mehr oder weniger
untergingen.
Durchwegs gute Zensuren stellten die Abgeordneten der Entwicklung der Gesamtkriminalität aus. Innenminister Karl Schlögl widerfuhr währenddessen Ungewöhnliches. Die üblicherweise polizeikritischen
Grünen lobten den Sicherheitsbericht und nahmen ihn sogar vor den Freiheitlichen in Schutz.
Für die Chronik erwähnenswert: Terezija Stoisits, eine pointierte Polizei-Skeptikerin, sagte, Österreich sei ein sicheres Land, die Exekutive und der Minister hätten im Berichtsjahr gut gearbeitet
und dann wörtlich: "Panikmache, die von Parteien kommt, die rechts stehen, soll dazu dienen, das subjektive Sicherheitsgefühl der Österreicher zu untergraben." Das war Balsam für den Innenminister.
Gegen die Grün-Laudatio wirkten dann die Bemerkungen des SPÖ-Sicherheitssprechers Anton Leikam fast wie eine Pflichtübung der Regierungspartei. Leikam bezeichnete den Sicherheitsbericht 1997 als eine
"erfolgreiche Bilanz" der Exekutive. Seit 1993 weise die Statistik ständig sinkende Zahlen bei der Gesamtkriminalität aus. Positiv bewertete der sozialdemokratische Sicherheitssprecher auch die
Entwicklung der Aufklärungsraten. Sie stiegen von 1989 kontinuierlich auf über 50 Prozent.
Fakten zum Tatort Österreich
Aus den Eckdaten lassen sich folgende Tendenzen ableiten: in fast allen Deliktsbereichen sind rückläufige Entwicklungen festzustellen. Gegenüber 1996 sank die Kriminalität im Berichtsjahr 1997 auf
0,8 Prozent. In absoluten Zahlen: 1996 wurden 485.450 strafbare Handlungen begangen, 1997 sank diese Zahl auf 440.584 Delikte. Im Detail: Betrügereien minus 5,5 Prozent, Raubüberfälle minus 6,1
Prozent und beim Kapitalverbrechen Mord ein Minus von 18,2 Prozent gegenüber 1996.
Beachtenswert auch der seit 1993 ständige Rückgang der Einbruchsdiebstähle. 1993: 94.035 Einbrüche, im Berichtsjahr 1997 stehen dann 84.120 Einbruchsdiebstähle in der Statistik. Schließlich
reflektiert die Gesamtkriminalität Tatbestände des Verbrechens und des Vergehens. 1997 bestand dieses Verhältnis aus 21,2 Prozent Verbrechen und 78,8 Prozent Vergehen.
Interpretation der Justiz
Die Justiz werde sich nicht selbstzufrieden zurücklehnen, gleichwohl man die Kriminalitätsentwicklung in Österreich als stabil bis rückläufig darstellen könne. Schwerpunkte der Justizpolitik
werden bei der verstärkten Bekämpfung der organisierten Kriminalität gesetzt werden. Weiter bemühe sich die Justiz, so der Ressortchef, eine täter-wie opferorientierte Reaktion der
Strafgerichtsbarkeit im Bereich der Alltagskriminalität zu realisieren. Nikolaus Michalek meinte schließlich, in unserem demokratischen System gehe es darum, ein vernünftiges Verhältnis zwischen
Freiheit und Sicherheit zu finden.
In diesem Zusammenhang muß man indes auch zwei neue Ermittlungs-Instrumente sehen, die 1997 im Parlament abgesegnet wurden. Sie werden im Bericht 1997 erwähnt: Es geht um die Rasterfahndung, die
übrigens am 1. Oktober 1997 in Kraft trat, an jenem Tag, an dem Franz Fuchs als mutmaßlicher Bombenbauer in die Schlagzeilen geriet.
Skeptische Datenschützer glaubten, die Vernetzung verschiedener Dateien schwäche die Grundrechte der Bürger. Das zweite und in der parlamentarischen Debatte nicht unumstrittene Instrument der
Ermittlung bezieht sich auf den sogenannten großen Lauschangriff. Seit Juli 1998 ist eine Sondereinheit namens SEO einsatzbereit, die mit optischen und elektronischen Mitteln die organisierte
Kriminalität bekämpfen soll.
OK: Erscheinungsformen
Der Sicherheitsbericht 1997 widmet sich auch neuen Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität, auch OK genannt, an der Gesamtkriminalität wird von den Ermittlern auf etwa 30 bis 35 Prozent
geschätzt. Dabei geht es um Drogenhandel, Autoschiebereien, Schutzgeldererpressungen, Schlepperei, Kredit- und Bankomatkartenfälschungen. Darüber hinaus registriert der Bericht Geldwäsche und andere
internationale Finanzbetrugsdelikte.
Im Berichtsjahr 1997 untersuchten die Sicherheitsbehörden 239 Verdachtsmeldungen wegen illegaler Transaktionen von insgesamt 1,6 Mrd. Schilling. Schließlich wurden 13 Strafanzeigen wegen
Geldwäscherei und 7 Anzeigen werden Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation erstattet. 37 Mill. Schilling wurden "eingefroren" und Transaktionen in Höhe von 121 Mill. Schilling von den
Gerichten gestoppt. Der Lagebericht 1997 zeigt deutlich auf, daß es einen Trend zur Internationalisierung des organisierten Verbrechens gibt. Urgiert wird eine effiziente Zusammenarbeit zwischen den
EU-Mitgliedstaaten, vor allem im Bereich der Computer-Kriminalität, die zunehmend zu einem neuen illegalen Geschäftsfeld heranwächst.
Zu polemischen Begegnungen zwischen den Koalitionsparteien kam es dann zum Thema Staatsschutz und Heeresnachrichtendienste. Zunächst urgierte der Sicherheitssprecher der Liberalen, Hans Helmut Moser,
Reformen im Bereich des Staatsschutzes. Sie würden aber daran scheitern, sagte Moser, daß sich die Parteien im großkoalitionären Zwist gegenseitig blockieren. Die SPÖ betrachte die Staatspolizei als
ihr Revier und die ÖVP erhebe politische Besitzansprüche auf die Heeresdienste. In den Ministerien liegen seit geraumer Zeit Entwürfe, die sich einerseits mit der Reform der Staatspolizei
beschäftigen und andererseits die Befugnisse des Militärs neu definieren.
Erwartungsgemäß interpretierten die Gutachten des Innenministeriums die Vorstellungen der Militärs nicht als verfassungskonform. Danach würden sich Heeresabwehr und Aufklärung Befugnisse aneignen
wollen, die nur der Sicherheits-Exekutive vorbehalten sind. Der ÖVP-Sicherheitssprecher Paul Kiss ortete die Reform-Bremser im Bereich des Staatsschutzes und der Heeresdienste im Parlamentsklub der
SPÖ. Was unverzüglich deren Klubobmann Peter Kostelka auf den Plan rief, der heftig daran erinnerte, daß er von Anfang an gesetzliche Regelungen verlangt habe, die mit den Grundsätzen der Verfassung
übereinstimmen. Paul Kiss offerierte in der Sicherheitsdebatte die Unterstützung der Volkspartei bei der Reform des Staatsschutzes.
Er unterstütze den Entwurf zur Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes. Darin geht es im Kern um eine sogenannte "erweiterte Gefahrenerforschung", worunter Fachleute Ermittlungen im Vorfeld und
Umfeld von Institutionen und Personen verstehen. Die Stapo-Reform und neue Mechanismen zur Kontrolle der Heeresdienste stehen seit etlichen Jahren im parlamentarischen Repertoire der Großen
Koalition. Auch nach dieser Sicherheitsdebatte ist die Realisierung der Staatsschutz-Reform nicht näher gerückt · und genießt im Wahljahr 1999 nicht wirklich Priorität in der restlichen
Regierungsarbeit.Õ
Berndt Ender ist Mitarbeiter der ORF-Parlamentsredaktion