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Taugt die EU als Krisenmanager?

Von Stefan Haderer

Gastkommentare

Mit Multilateralismus allein wird sich das Problem der mangelnden Glaubwürdigkeit auf dem internationalen Parkett nicht lösen lassen.


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Beim G20-Gipfel in Buenos Aires kamen Regierungschefs aus aller Welt zusammen und ließen sich von einer spektakulären Licht- und Musikshow im historischen Teatro Colón berieseln. Harmonisch waren dabei vermutlich nur die Orchesterklänge. Die Konflikte, in die Europa verstrickt ist, sind nämlich zahlreich.

US-Präsident Donald Trump ließ kurz vor dem Gipfel aufhorchen, als er die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als Vermittlerin in der derzeitigen Krise zwischen der Ukraine und Russland vorschlug. Will Trump damit vom eigenen Unvermögen oder Unwillen ablenken, in diesem Streit eine friedliche Lösung für beide Seiten zu finden? Die eigentliche, viel wesentlichere Frage lautet jedoch: Taugt Europa als Krisenmanager oder hat es seine Rolle eines Mediators nicht schon leichtfertig verspielt?

Die Regierungen der beiden mächtigsten EU-Staaten Deutschland und Frankreich sind inzwischen in breiten Teilen der Zivilgesellschaft angezählt und längst kein Garant mehr für Stabilität. In Deutschland muss sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit gravierenden Wahlverlusten innerhalb der CDU abfinden, während gleichzeitig der Aufstieg rechtspopulistischer Kräfte wie der AfD in ihre Amtszeit fällt. In die lange Liste der Kritiker von Merkels Sicht der Migrationspolitik reihen sich neben einer Menge unzufriedener Wähler auch der Dalai Lama und neulich die US-Demokratin Hillary Clinton.

In Frankreich entgleitet dem früheren Hoffnungsträger Emmanuel Macron ebenso der Zuspruch aus der eigenen Bevölkerung. Offensichtlich wird, dass er von vielen Franzosen als "geringeres Übel" und nicht aus Wertschätzung gewählt wurde. Die Bewegung der "Gelben Westen" geht auf die Barrikaden und protestiert gegen Macrons rigide Sozial- und Steuerpolitik. Der Präsident der "Grande Nation" wird als überheblich, arrogant und elitär wahrgenommen - und gibt damit kein gutes Beispiel für einen Europäer ab, der Frieden und Wohlstand garantieren will. Man kann darüber eine Weile hinwegsehen - auf Dauer verliert man dadurch aber an Glaubwürdigkeit im In- und Ausland.

"Multilateralismus" heißt das Zauberwort, das in der Abschlusserklärung des G20-Gipfels zu finden ist. Es scheint logisch, dass sich globale Probleme nur im Zusammenspiel mit Partnern vermindern oder lösen lassen. Ist diese Formel allerdings glaubwürdig? Multilateral wäre es zum Beispiel, wenn auch die kriegsführenden Hauptakteure ihren finanziellen Beitrag zum Wiederaufbau und zur Versorgung der Kriegsflüchtlinge leisten würden. Bis jetzt haben sich allen voran die USA ihrer Verantwortung entzogen. Multilateral wäre es außerdem, an einer Harmonisierung mit Russland zu arbeiten und somit den neuen Kalten Krieg zu beenden. Dieser läuft in Folge der Krim-Krise auf Hochtouren. Statt auf Dialog setzt man auf Aufrüstung.

Im Informationszeitalter sehen sich Regierungen einer immer kritischeren Weltöffentlichkeit ausgesetzt. Trotzdem gelingt es der Europäischen Union auf dem internationalen Parkett nicht, glaubwürdig zu erscheinen. Ein Problem, das sich mit Multilateralismus allein wohl nicht lösen lässt.

Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politologe mit Spezialisierung auf internationale Friedens- und Konflikt-
forschung in Wien.