Lösungen bei Flucht und Migration sind enorm mühsam. Wahlen gewinnt, wer das Thema emotionalisiert.
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Ganz so kaputt wie in den USA ist die Debatte über Migration und Flucht in Europa im Allgemeinen und in Österreich im Besonderen nicht; aber fast.
In den vergangenen Monaten haben die stramm republikanischen Gouverneure von Texas und Arizona tausende Migranten per Bus gen Norden, nach New York, Washington und Chicago verfrachtet, wo Demokraten das Sagen haben und gegen die Migrationspolitik der Republikaner wettern. Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, der damit liebäugelt, bei den Präsidentschaftswahlen für die Republikaner anzutreten, charterte sogar einen Flieger, um die Migranten auf der Insel Martha’s Vineyard abzusetzen, wo die Berühmten und Reichen ein Anwesen haben. Natürlich wurden einige auch in die Nähe von US-Präsident Joe Bidens Strandhäuschen in Delaware chauffiert. Es versteht sich von selbst, dass der US-Bundesstaat Massachusetts, zu dem Martha’s Vineyard gehört, wie Delaware seit Jahrzehnten ausschließlich von Demokraten regiert wird. So wie Texas, Arizona und Florida seit ewig republikanisch sind.
Die Situation hierzulande ist genauso dysfunktional. Die eine Seite will mit dem Thema Wählerstimmen gewinnen, indem sie es aufbläst; die andere Seite hofft zu punkten, indem man rhetorisch dagegenhält und ansonsten darauf beharrt, dass das Thema gar nicht sooo groß ist.
Was auf der Strecke bleibt, ist ein realistisches Konzept, das sicherstellt, dass das Menschenrecht auf Asyl gewahrt bleibt, aber verhindert, dass über den Umweg des Asylrechts Wirtschaftsmigration stattfindet. Ein solches Konzept wird allerdings nicht nach dem Muster des Gordischen Knotens per Schwerthieb erfolgen, sondern aus tausenden kleinen Schritte bestehen, die idealerweise ein in sich schlüssiges Ganzes ergeben.
Vor allem braucht es einen gesamteuropäischen Konsens, der eine einheitliche Asylpraxis genauso umfasst wie einen funktionierenden Außengrenzschutz und pragmatische Abschieberegeln. Dazu gehört auch die Einbindung der EU-Anrainerstaaten, und zwar sowohl südlich des Mittelmeers wie der Staaten am Balkan. Lupenreine Demokraten muss man dort mit der Lupe suchen (das trifft sogar im Falle Ungarns innerhalb der EU zu), aber ohne diese Nachbarn ist jede geordnete Migrationspolitik in der EU von vornherein zum Scheitern verurteilt. Man muss mit den Regierenden der Türkei, Serbiens, Albaniens und natürlich auch Ungarns reden. Entweder man will wirklich Lösungen, oder eben nicht. Wegschauen, Empörung und Inszenierung sind natürlich einfacher zu haben.