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Tausende Häftlinge vegetieren dahin

Von Angelika Raedler

Politik

London/Wien - "Sie behandeln uns wie Tiere." Diesen Satz hörten Mitarbeiter von amnesty international (ai) bei Gefängnisbesuchen in Brasilien immer wieder. Ein neuer Bericht der Menschenrechtsorganisation macht deutlich, dass Folter und Misshandlung systematisch angewandt werden, um Geständnisse zu erpressen.


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Der politische Druck, die Kriminalität zu bekämpfen, hat dazu geführt, dass Folter de facto andere, moderne Ermittlungsmethoden ersetzt. Im Rahmen der Kampagne "Aktiv gegen Folter" werden jetzt ai-Mitglieder aus Österreich wie schon bei einer großen ai-Aktion vor zwei Jahren wieder mit dem aus der Steiermark stammenden Gefängnisseelsorger Günter Zgubic, der in Sao Paulo tätig ist, zusammenarbeiten. Und Handlungsbedarf ist durchaus gegeben: Der aktuelle ai-Bericht liefert erschütterndes Beweismaterial zur angelaufenen Kampagne der brasilianischen Regierung gegen die weit verbreitete Folter im Land. Die Menschenrechtsorganisation gibt dringende Empfehlungen zur wirksamen juristischen Bekämpfung und Verhinderung der systematischen Gewalt auf Polizeiposten, in Gefängnissen und Jugendhaftzentren ab. Der ai-Bericht macht vor allem auf das Elend Tausender von Frauen, Männern und Kindern aufmerksam, die in völlig überfüllten Gefängnissen ausharren.

Gefangenen-Aufstände

Wie katastrophal der Zustand in den Haftzentren tatsächlich ist, verdeutlichen auch die zahlreichen Gefangenen-Aufstände in letzter Zeit. Die Stellungmahme von amnesty international dazu: "Folter und Misshandlung gelten als die einzig wirksame Methode, um das brasilianische Haftsystem zu kontrollieren, das am Rande des Zusammenbruchs ist."

Besonders schlimm ist die Situation in der Jugendhaftanstalt Febem in Sao Paulo. Im vergangenen Jahr erhielt ai Berichte von mindestens 1000 Misshandlungen durch Gefängniswärter. Zwar ist in Brasilien seit vier Jahren ein Gesetz gegen die Folter formell in Kraft, doch kommt es in der Regel nicht zur Anwendung. Folterer gehen zum überwiegenden Teil straffrei. amnesty international begrüßt, dass die brasilianische Regierung das Problem der Folter unlängst vor dem UNO-Komitee gegen Folter zur Sprache gebracht und Maßnahmen angekündigt hat. Doch dürften diese nicht "pure Kosmetik" sein: "Die brasilianische Strafjustiz muss auf allen Ebenen verbessert werden", so die Forderung der Menschenrechtsorganisation.