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Tausende Moslems in den USA sitzen auf gepackten Koffern. Andere sind ihrer Abschiebung zuvorgekommen und abgetaucht, nach Kanada ausgereist oder freiwillig in ihr Herkunftsland zurückgekehrt. "Ein Exodus hat bereits begonnen", schreibt die "New York Times". Ausgelöst wurde die Ausreisewelle von Justizminister John Ashcroft, der Ausländern aus 25 moslemischen Staaten eine besondere Meldepflicht auferlegt hat - bei rund 13.000 wurde dabei festgestellt, dass sie illegal im Land sind.
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Mit Gnade können diese "Illegalen", von denen viele schon seit Jahren in den USA leben, nicht rechnen. Denn im Zeichen des Anti-Terror-Kampfes verfolgt Ashcroft einen harten Kurs in der Immigrationspolitik, der seit dem 11. September 2001 bereits zur Festnahme und Abschiebung von Tausenden Ausländern geführt hat.
Nach den Anschlägen sei "der Krieg gegen den Terror rasch zu einem Krieg gegen Einwanderer geworden", sagt Anthony Romero, Vorsitzender der Amerikanischen Vereinigung für die Bürgerrechte (ACLU). Vor allem Menschen aus moslemischen Staaten sind im Visier der Immigrations- und Sicherheitsbehörden. Die Regierung plane, "die Zahl der Moslems in den USA zu reduzieren", klagt Fayiz Rahman vom Amerikanisch-Moslemischen Rat in Washington.
Wieviele Ausländer seit dem 11. September 2001 festgesetzt und abgeschoben wurden, ist unbekannt. Doch bereits sieben Wochen nach den Anschlägen hatte das Justizministerium die Festnahme von 1182 Ausländern vermeldet; die meisten von ihnen wurden abgeschoben. Und seit vergangenem Jahr wurden allein bei Razzien gegen Ausländer, die angeblich eine "Sicherheitsgefahr" darstellen und gegen die in der Vergangenheit bereits Ausweisungsbescheide ergangen waren, etwa 3000 weitere Menschen festgenommen.
Kritiker werfen Ashcroft vor, das Einwanderungsrecht zu missbrauchen. Der Vorwurf wird durch einen eigenen Bericht des Justizministeriums untermauert, der unlängst für Wirbel sorgte. Der Geneneralinspektor des Hauses untersuchte die Haftbedingungen von 762 Ausländern, die nach dem 11. September 2001 festgenommen worden waren. Obwohl diesen Häftlingen offiziell nur Verstöße gegen die Einwanderungsgesetze angelastet wurden, wurden sie im Schnitt 80 Tage festgehalten und wie Terroristen behandelt. Ihre Zellen waren dem Bericht zufolge oft den ganzen Tag erleuchtet, ihr Kontakt zu Anwälten wurde behindert, und einige Häftlinge sollen verbal und körperlich misshandelt worden sein. Ashcroft zeigte sich von dem Bericht allerdings nicht sonderlich beeindruckt. Nur in vier Fällen wurden interne Untersuchungen gegen Sicherheitsbeamte wegen mutmaßlicher Misshandlungen eingeleitet.
Die rabiaten Methoden haben nur minimale Erfolge gezeitigt. Von den 762 Häftlingen konnten keinem einzigen Verbindungen zum Terrorismus nachgewiesen werden. Und insgesamt haben die tausenden "präventiven" Festnahmen nur in einem einzigen Fall zu einer Verurteilung wegen Terrorismus geführt: Der Marokkaner Karim Kubriti wurde vergangene Woche von einem Gericht in Detroit für schuldig befunden, zusammen mit einem Komplizen Anschläge geplant zu haben. Von den 13.000 Moslems und Arabern, die durch das Meldeprogramm als "Illegale" registriert wurden, werden laut "New York Times" nur elf der Verbindungen zur Terrorszene verdächtigt.
Viele Kritiker werfen Ashcroft vor, eben jene freiheitliche Ordnung zu beschädigen, die er zu schützen vorgibt: Ashcroft sei "viel gefährlicher als irgendeiner der Immigranten, die er zu Unrecht festgenommen hat", so der Kolumnist Richard Cohen in der "Washington Post".