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Tauwetter gegen den Klimawandel

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik
Historischer Schulterschluss in der Klimafrage: Barack Obama (l.) und Xi Jinping (r.) in Peking.
© reu/Baker

Die beiden weltgrößten Treibhausgas-Emittenten China und USA einigen sich erstmals gemeinsam auf CO2-Emissionsziele.


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Peking. Barack Obama und der Apec-Gipfel - das ist keine Liebesbeziehung. Beim letzten Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforum 2013 auf Bali sagte der US-Präsident seine Teilnahme wegen der Haushaltskrise im eigenen Land kurzerhand ab. Davon profitierte ausgerechnet das diesjährige Gastgeberland China, das kurzerhand die Führungsrolle in der losen Wirtschaftsgemeinschaft übernahm.

Zum diesjährigen Treffen in Peking reiste Obama nach den Kongresswahlen innenpolitisch geschwächt an, musste es hinnehmen, dass Russland seine Verbindung zur Volksrepublik mit neuen Wirtschaftsverträgen weiter vertiefte und ihm Wladimir Putin am zweiten Sitzungstag nonchalant auf die Schulter klopfte. Schließlich schien sogar Chinas Präsident Xi Jinping ein Einsehen zu haben und nahm seinen Gast mit auf einen nächtlichen Spaziergang durch den Zhongnanhai - eine durchaus großzügige Geste der Wertschätzung, denn das Regierungsviertel der Kommunistischen Partei Chinas ist für Normalsterbliche (also Nicht-Parteimitglieder) üblicherweise eine Verbotene Stadt.

Geradezu historisch

Zu besprechen gab es unter dem Sternenhimmel einiges, und trotz frostiger Temperaturen schienen die beiden Männer ein wenig aufzutauen. Als wichtigstes Ergebnis gaben sie zum Abschluss ihrer zweitägigen Gespräche eine gemeinsame Erklärung zum Klimawandel ab und kündigten eine Zusammenarbeit bei erneuerbaren Energien an. "Das ist ein Meilenstein in den US-chinesischen Beziehungen. Er zeigt, was möglich ist, wenn wir bei einer globalen Herausforderung zusammenarbeiten", zeigte sich Obama geradezu euphorisch, während Xi neben ihm zumindest milde lächelte. Neun Monate lang war an der Vereinbarung vorab gearbeitet worden. Demnach wollen die USA bis zum Jahr 2025 den Ausstoß von Treibhausgasen um 26 bis 28 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 reduzieren. Bislang hatte Washington eine Reduktion der Treibhausgase um 17 Prozent bis 2020 unter dem Niveau von 2005 angestrebt. Mit dem neuen Ziel verschaffen sich die USA mehr Zeit, setzen sich dafür aber größere Ziele.

Novum in Peking

China andererseits verpflichtete sich nicht direkt zu einer Reduktion von Treibhausgasen. Das Land stimmte aber zu, spätestens 2030 den Höhepunkt seiner klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen erreichen zu wollen und den Anteil erneuerbarer Energien auf etwa 20 Prozent zu steigern. Das ist angesichts der vollmundigen Ankündigung, der Umweltverschmutzung den "Krieg" zu erklären, nicht besonders viel. Aber: Es ist das erste Mal, dass China überhaupt einer derartigen Vereinbarung zustimmt. Bislang wurden umweltpolitische Vorstöße stets mit dem Hinweis abgeblockt, dass für ein Schwellenland andere Bestimmungen zu gelten haben. Erstmals tun sich nun auch die zwei weltweit größten Wirtschaftsmächte und CO2-Sünder zusammen, um die Treibhausgase bis 2025 zu drosseln. Das könnte Signalwirkung haben für den Klimagipfel in Paris Ende 2015, wenn es darum geht, ein globales Klimaabkommen zu verhandeln.

Verhältnis bleibt kompliziert

Somit kamen sich die beiden Supermächte insgesamt in überraschend vielen bilateralen und multilateralen Fragen näher, etwa bei gelockerten Visabestimmungen für Touristen, Studenten und Geschäftsleute, im Anti-Terrorkampf und bei der verbesserten Kommunikation der beiden Armeen, was angesichts umstrittener US-Aufklärungsflüge entlang der chinesischen Küste eine praktische Bedeutung hat. Zudem wird ein Zollabbau bei Informationstechnologie-Gütern angestrebt und eine engere Zusammenarbeit in der Iran- und Nordkorea-Frage. Doch insgesamt bleibt das Verhältnis zwischen den beiden Ländern ein kompliziertes: "Ich weise die Vorstellung zurück, dass die Vereinigten Staaten auf irgendeine Weise versuchen, China einzudämmen", sagte Obama in einem schriftlichen Interview der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Sein Land habe stattdessen in den vergangenen Jahrzehnten aktiv daran mitgewirkt, China in die Weltwirtschaft zu integrieren. "Wir wollen, dass China und das chinesische Volk erfolgreich sind."

Republikaner machen Front

Genau das wird von chinesischer Seite mitunter bezweifelt. Bei der ersten Begegnung mit Obama vor einem Jahr im kalifornischen Summerville sprach Xi von einem "neuen Typus der Beziehungen zwischen Großmächten". Ein in den Staatsmedien veröffentlichter Kommentar mit dem Titel "Stimme Chinas" stellte nun noch einmal klar, dass die Beziehungen zwischen China und den USA eine Neugewichtung benötigen - zugunsten Chinas. Nicht zuletzt deshalb drängte Peking darauf, dass die Apec einen "Fahrplan" für eine Freihandelszone entwirft, die alle Apec-Mitglieder umfasst, wogegen sich Japan und die USA bis zuletzt gesträubt hatten. Und inwiefern Obama mit dem Klimaabkommen einen geopolitischen Sieg nach Hause bringen wird, bleibt ebenfalls fraglich. Erst am Dienstag nannten die Republikaner als eine ihrer Top-Prioritäten, Obamas Klimapolitik zu bekämpfen und die US-Umweltbehörde EPA "weitestmöglich in die Schranken zu weisen", unter anderem durch scharfe Budgetkürzungen. Neue Klimagesetze dürfte Obama also ohnehin nicht durch den Kongress bekommen, was einen chinesischen Online-Kommentator zu folgendem Witz verleitete: "Wie nennt man eine lahme Ente in China? Peking-Ente."