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"Die ÖBB gehören endlich in Ruhe gelassen." Mit diesen Worten macht die Gewerkschaft der Eisenbahner nun gegen den neuesten Vorstoß der Regierung in Bezug auf die ÖBB mobil. Nachdem eine gesellschaftliche Trennung der Bereiche Absatz und Infrastruktur kein Thema mehr ist, sollen der Schieneninfrastrukturgesellschaft (SCHIG) die ÖBB-Immobilien und womöglich auch die Anlagen überlassen werden.
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Die Bahngewerkschaft läuft gegen diese Vorschläge Sturm. Eisenbahner-Gewerkschaftschef Wilhelm Haberzettl hält die Übertragung der ÖBB-Anlagen und Immobilien an die SCHIG für "einen Anschlag auf das Eigentum der Steuerzahler".
Das in Regierungskreisen diskutierte Modell sieht vor, dass die ÖBB ihre Immobilien und Anlagen um 3,9 Mrd. Euro an die SCHIG abtritt. Die Schulden der Infrastruktur könnten damit zum Teil getilgt werden. Die ÖBB müssten der SCHIG aber rund 436 Mill. Euro pro Jahr zahlen, dass ihre Züge weiter auf den Schienen rollen dürfen. Das wären um 120 Mill. Euro mehr als derzeit für die Benützung der Infrastruktur zu leisten sind.
Als verschärftes Modell wird laut dem Eisenbahn-Gewerkschafter sogar angedacht, neben der Abwanderung der ÖBB-Immobilien an die SCHIG, auch deren Schulden an die ÖBB zu übertragen. Mit diesen "Bilanztricks" wäre zwar das Nulldefizit gerettet, doch die ÖBB schlitterten sehenden Auges in die finanzielle Misere. Entweder kämen die ÖBB ob des hohen Schuldenbergs ins Schleudern, denn ohne immobiles Vermögen hätte das Riesenunternehmen keinen ökonomischen Handlungsspielraum mehr, oder die SCHIG wäre in noch größerer finanzieller Bedrängnis. Haberzettl zitiert Wirtschaftsexperten, die davor warnen, die SCHIG mit weiteren Verbindlichkeiten, wenn auch gesichert durch das Anlagevermögen, zu belasten. "Die Eigenkapitaldecke ist zu dünn: Den Verbindlichkeiten von rund 8,2 Mrd. Euro stünden nur 500 Mill. Euro Eigenkapital gegenüber." Haberzettl befürchtet daher, dass sich die SCHIG bald von vielen Bereichen, die nicht zum Kerngeschäft der ÖBB gehören wie den Kraftwerken oder den Werkstätten trennen könnte. Ebendort seien aber zwei Drittel der Eisenbahner beschäftigt, und deshalb müsse er als oberster Gewerkschaftsvertreter vor den möglichen Konsequenzen warnen: "Ich schließe weitere und schärfere Aktionen nicht aus."
Eine andere Gefahr sieht der Gewerkschaftsboss beim Zurückleasen der ÖBB-Anlagen. Da würden nämlich nur die ÖBB zur Kasse gebeten. Haberzettl: "Welches Interesse sollten diese folglich haben anderen Betreibern auch Zutritt zu gewähren? Oder soll die der Liberalisierung nur von den ÖBB getragen werden?"
Haberzettl weiß, das Handlungsbedarf besteht und hat einen anderen Vorschlag, der sich mit jenem des ÖBB-Vorstandes deckt: Die SCHIG wird samt ihrer Schulden in die ÖBB integriert. Um die EU-Konformität beider Unternehmen zu garantieren sollte die SCHIG künftig für die Vergabe der Trassen - also für die Einteilung wann und wo Züge fahren dürfen - , die Sicherheitsbescheinigungen und Public-Private-Partnership-Finanzierungen zuständig sein.