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Firmenbeteiligungen verheimlicht? | Juristischer Dienst soll Sachlage klären. | EVP-Vertreter stützen Jelewa. | Brüssel. Die Vorsätze der größten Fraktionen im EU-Parlament waren die besten. Die Europäische Volkspartei (EVP) sowie die Sozialisten und Demokraten (S&D) hatten ausgemacht, bei den Anhörungen keine Kommissarkandidaten abzuschießen, "wenn sie keine groben Fehler machen". Doch spätestens gestern, Mittwoch, war klar, dass die Dynamik des Befragungsprozesses kaum vorauszusagen ist.
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Vor allem die bulgarische Kandidatin Rumiana Jelewa, die als Kommissarin für Humanitäre Hilfe vorgesehen ist, entwickelte sich zunehmend zum Problemfall.
Unter Druck geraten ist sie, weil sie angeblich ihre Finanzen nicht vollständig offen gelegt hat. Dabei geht es um ihre Anteile an der Global Consult Ltd, welche sie nach Unterlagen der "Financial Times Deutschland" am 9. April 2009 verkauft hat. Das Unternehmen wurde zur Auto Spa umgetauft. Laut dem staatlichen bulgarischen Rundfunk soll sie beim Verkauf einen Erlös von bloß 2500 Euro erzielt haben und am 22. April aus dem Handelsregister gestrichen worden sein. Danach wurden jedoch laut unterschiedlichen Dokumenten sowohl Jelewa als auch die Käufer als Eigentümer geführt.
Die liberale bulgarische EU-Abgeordnete Antonia Parwanowa behauptete, dass Jelewa weiterhin 60 Prozent der Auto Spa besitze und dies nicht angegeben habe. Jelewa, einst selbst EU-Abgeordnete und Vizefraktionsführerin der EVP, erklärte dagegen, an der Gesellschaft keine Anteile zu halten. Jetzt soll der juristische Dienst des Parlaments die Sachlage klären. Dafür sollte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso nach seiner Einschätzung befragt und entsprechende Unterlagen eingesehen werden.
Die Stimmung war angespannt: EVP-Fraktionsvizepräsident Othmar Karas sprach von einer "Menschenhatz", seine Gruppierung stehe weiterhin voll hinter Jelewa. Der bulgarische Premierminister Bojko Borissow sagte, dass er nach Rücksprache mit EVP-Vertretern in Brüssel weiterhin mit ihrer Bestellung rechne. Vertreter der S&D-Fraktion bezeichneten sie dagegen als "ungeeignet". Vizevorsitzender Hannes Swoboda verwies auf die laufenden Untersuchungen.
Lassen sich die Unklarheiten über die Offenlegung ihrer Finanzen nicht klären, kommt Barroso unter Druck. Denn das Parlament kann keine einzelnen Kommissare, sondern nur die gesamte Kommission ablehnen. Daher könnte er Borissow um eine Nachnominierung eines Alternativkandidaten bitten, wenn die Kritik an Jelewa anhält. Angeblich würde Sofia dann den bisherigen Verteidigungsminister Nikolaj Mladenow schicken. Dann käme jedoch auch die skurrile Usance zur Anwendung, dass im Gegenzug ein S&D-Kandidat abtreten müsste. EVP-Koordinator Joszef Szajer drohte bereits unverhohlen, den Slowaken Maros Sefcocic blockieren zu lassen, wenn Jelewa gehen muss. Der designierte EU-Kommissar für interinstitutionelle Beziehungen soll sich abwertend über Roma geäußert haben, hieß es.
Barnier will aufräumen
Problemlos bewältigte dagegen der künftige Binnen- und Finanzmarktkommissar Michel Barnier aus Frankreich seine Anhörung. Er ließ keinen Zweifel, dass er hart durchgreifen will: Kein Markt, kein Finanzprodukt, kein Institut und keine Region dürfe sich künftig wirksamer Regulierung und Aufsicht entziehen, bekräftigte er das G20-Credo.
Die Eigenkapitalregeln für Banken sollen verschärft, die Boni der Manager reguliert und die Produktgruppe der Derivate erstmals Regeln unterworfen werden. Auch an Sanktionen für Leerverkäufe wolle er sich heranwagen. Zugleich betonte er seine Unabhängigkeit: "Ich werde weder Anordnungen aus Paris, London noch von irgendwo sonst annehmen."