Die vier im Schweizer Bundesrat (Regierung) vertretenen Parteien tun sich schwer mit der Suche nach einer Lösung, dass die Bundesratswahl am 10. Dezember nicht zum Chaos wird. Die Sozialdemokraten (SP) und die Freisinnigen (FDP) zweifeln an der Glaubwürdigkeit der SVP (Schweizerischen Volkspartei) und deren Konsenswillen.
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Die SP betrachtet die Schweizerische Volkspartei als legitimen Regierungspartner. "Die Wähler haben am 19. Oktober entschieden, dass sie klare Positionen bevorzugen, wie jene von SP und SVP", meint SP-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat. Allerdings stellt sich die SP die Frage nach den wahren Absichten der SVP.
Dazu hat sie Grund nach der Drohung von Christoph Blocher, den Sitz der SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey zu attackieren, falls er nicht in den Bundesrat gewählt werde. Es sei wichtig, vor der Bundesratswahl einen Konsens zwischen den vier Regierungsparteien zu finden, mahnte Jeannerat, um Zufallsmehrheiten zu verhindern.
Die Nervosität ist spürbar. Die Frage ist, ob man wirklich mit allen Kräften auf den Grund der Suche nach der Konkordanz geht. Die Blockaden kämen vom Zentrum her, insbesondere von der CVP (Christdemokraten). "Es ist leichter, sich mit einer starken Partei zu verstehen, die ihre Linie stramm verfolgt, als mit geschwächten Partnern zu reden, sagt Jeannerat.
Die CVP hat in der Vorwoche bekräftigt, sie lasse sich auf keinerlei Handel ein, weder mit der FDP noch mit der SVP, und dass sie am Ziel Wiederwahl ihrer beiden bisherigen Bundesräte festhalte. Beharrlich bleibt auch die FDP, wie ihre Präsidentin Christiane Langenberger sagte. Trotz ihrer Sitzverluste im Ständerat bleibe die FDP die drittgrösste Regierungspartei und habe demzufolge Anspruch auf zwei Vertreter in der Landesregierung. Langenberger räumte ein, dass die Hoffnung langsam schwinde, eine von den vier Regierungsparteien gemeinsam getragene Lösung zu finden. Sie äusserte sich irritiert über die jüngste Provokation Blochers: "Mit wem will die SVP die SP angreifen?" Die FDP stelle den SP-Anspruch auf zwei Sitze so wenig in Frage wie jenen der SVP.
Wird die SVP, wie versprochen, den Freisinnigen helfen, den freiwerdenden Sitz von Kaspar Villiger zu verteidigen? "Nichts ist entschieden - warten wir die Wahl ab", sagte die FDP-Präsidentin. Die Bundesratsparteien treffen sich in der gegenwärtigen Phase bilateral, im Dezember soll eine letzte Vierersitzung stattfinden. Im Prinzip möchte keine von ihnen, dass eine von ihnen in die Opposition gedrängt wird.
Drei Wochen vor der Wahl spielt die SVP einen Joker aus. Sie erhalte einen zweiten Sitz nur, wenn sie die Konsequenzen einer Nichtwahl von Christoph Blocher aufzeige, schrieb SVP-Sprecher Yves Bichsel im jüngsten Pressedienst der Partei.
Die Folgen einer Nichtwahl der SVP-Kandidaten Blocher und Samuel Schmid durch das Parlament würden offenbar nicht ernsthaft erwogen, da keine der großen Parteien in der Schweiz je Oppositionspolitik betrieben habe. Sollte die SVP aus dem Bundesrat gehen, würde sie weiter gedeihen, das Land aber würde verlieren, glaubt Bichsel.
Man würde die Probleme in den nächsten Jahren nicht vernünftig lösen können ohne die SVP in der Landesregierung. Die SVP-Fraktion der Bundesversammlung will sich noch den Beistand der Parteibasis sichern. Am 29. November sollen die Delegierten in Sempach die Strategie absegnen.
Parteisprecher Bichsel gesteht ein: Es sei ganz und gar nicht sicher, dass die Kantonalparteien von Bern, Aargau und Graubünden bereit seien für einen allfälligen Auszug aus dem Bundesrat.