Deutscher Innenminister verteidigt Idee, dass Länder allein wieder Grenzkontrollen einführen dürfen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel/Luxemburg. Hans-Peter Friedrich wiegelte ab. Sein Land wolle keine dauerhaften Grenzkontrollen einführen, und zwar "unter keinen Umständen", erklärte der deutsche Innenminister bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Luxemburg. Doch hatte er es zumindest geschafft, das Thema Schengen bei der Zusammenkunft zur Debatte zu bringen - entgegen den Plänen Dänemarks, das derzeit den EU-Vorsitz innehat.
Mit einer Reform des Schengen-Abkommens, das Reisen ohne Grenzkontrollen in weiten Teilen Europas ermöglicht, sollten sich die Minister erst im Juni befassen. Doch ein französisch-deutscher Brief, der in der Vorwoche bekannt geworden war, fachte die Diskussion schon jetzt wieder an. Darin plädiert Friedrich gemeinsam mit seinem Kollegen Claude Gueant dafür, dass die Staaten selbst über eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen entscheiden sollen, die dann bis zu 30 Tage lang aufrechterhalten werden könnten. Das solle ebenfalls möglich sein, wenn ein anderes Land es nicht schafft, seine Grenzen ausreichend zu schützen.
Auch wenn der Vorstoß kaum etwas Neues beinhaltete, löste er Wirbel aus. Während sich die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner gleich hinter die Vorschläge stellte, gab es heftige Kritik aus dem EU-Parlament sowie der deutschen Regierung selbst. So warnte Außenminister Guido Westerwelle davor, an der Reisefreiheit, "einer der wichtigsten Errungenschaften der europäischen Einigung", zu rütteln. Auch musste sich Friedrich den Vorwurf gefallen lassen, Wahlkampfhilfe für Nicolas Sarkozy zu leisten. Der französische Präsident, der derzeit um seine Wiederwahl ringt, versucht mit der Ankündigung strengerer Grenzkontrollen Stimmen vor allem aus dem rechten Lager zu gewinnen.
"Für manche sind Wahlen wichtiger denn die Tatsachen", kommentierte denn auch die belgische Innenministerin Joelle Milquet in Luxemburg. Sie verwies darauf, dass ohnehin eine Schengen-Reform anstehe und die Vorschläge der Europäischen Kommission dazu seit Monaten debattiert werden.
Gemeinsamkeit gefordert
An ihrem Entwurf werde die Brüsseler Behörde, die den französisch-deutschen Brief nicht näher kommentieren wollte, auch festhalten. Das stellte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström klar. Sie fordert eine verstärkte Einbindung der EU-Institutionen in Entscheidungen über Grenzkontrollen. Laut den Kommissionsplänen sollte ein Mitgliedstaat selbst unter bestimmten Umständen für fünf Tage Kontrollen einführen dürfen. Eine Verlängerung dieser Frist sollte jedoch nur nach einem Beschluss auf gemeinsamer Ebene möglich sein. Ein Votum der EU-Minister wäre auch für Ausnahmefälle nötig, die bisher nicht geregelt sind. Schon jetzt kann ein Land die Reisefreiheit beschränken, wenn es seine "öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit" gefährdet sieht - etwa vor Großereignissen wie Fußballmeisterschaften oder von Protesten begleiteten Gipfeltreffen. Dieser Ausnahmenkatalog könnte erweitert werden, etwa wenn es "eine massive Einwanderungswelle" geben könnte. Und, anders als die Kommission, wünscht sich Berlin - ebenso wie Paris und Wien -, dass die Entscheidung über Kontrollen in solchen Fällen bei den Ländern selbst liegt. Mikl-Leitner sprach sich auch dafür aus, die bisherige Frist von 30 Tagen beizubehalten.
Dabei waren es die Mitgliedstaaten selbst, die Brüssel beauftragt hatten, die Regeln für das Schengen-Abkommen deutlicher festzulegen. Im Vorjahr hatte nämlich Dänemark Unmut ausgelöst, als es für einige Zeit seine Grenzposten wieder mit Zöllnern besetzte. Scharf protestierte damals vor allem ein Nachbar: Deutschland.
Schengener Abkommen