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Tauziehen um Justiz- und Innenressort

Von Rainer Mayerhofer

Politik
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Neuigkeiten erfährt auch Italiens designierter Premier Enrico Letta aus der Zeitung - gekauft beim afrikanischen Kolporteur.
© reu/Bianchi

Designierter Premier muss Zweifel der engsten Parteifreunde überwinden.


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Rom. Während der designierte italienische Regierungschef Enrico Letta am Donnerstag in Konsultationen mit den Parlamentsparteien die Chancen für sein Kabinett auslotete, erhöhte Ex-Premier Silvio Berlusconi von Dallas aus den Preis für den Eintritt seiner Partei in die Regierung. Berlusconi, der an der Eröffnung der Präsidentenbibliothek für George W. Bush in Texas teilnahm, meinte, es sei viel wichtiger, eine Regierung zu bilden, als auszuwählen, wer sie führe. Für seine Partei stelle sich nicht die Frage nach Namen, erklärte Berlusconi. Seine Partei habe acht Gesetzesvorhaben vorbereitet - darunter die Abschaffung der Immobiliensteuer auf die erste Wohnung -, die ihrer Meinung nach dringend verabschiedet werden müssten.

PdL gegen denVerbleib Cancellieris

Italienischen Medienberichten zufolge hat Berlusconis PdL aber großes Interesse an der Besetzung des Justiz- und des Innenministeriums. So soll es aus PdL-Kreisen starke Widerstände gegen einen Verbleib der von Mario Monti bestellten Innenministerin Anna Maria Cancellieri geben. Die PdL verzeiht der amtierenden Innenministerin nicht die wegen Mafia-Verbindungen erfolgte Auflösung vieler von Mitte-Rechts-Politikern geführter Gemeinderäte - zuletzt in Reggio Calabria. Anstelle Cancellieris wünscht sich Berlusconi seinen Parteifreund Renato Schifani, den Senatspräsidenten der vergangenen Legislaturperiode und derzeitigen PdL-Fraktionschef im Senat.

Im Justizressort könnte die derzeitige Amtsinhaberin Paola Severino bestätigt werden, genannt werden aber auch die Namen des früheren Kammerpräsidenten Luciano Volante (PD) und des derzeitigen Verfassungsgerichtshofpräsidenten Franco Gallo (parteilos).

Für das wichtige Arbeitsministerium wird von der PdL deren aktueller Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Renato Brunetta, vorgeschlagen, aber auch der ehemalige PD-Ressortchef Tiziano Treu ist wieder im Gespräch. Auch für das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung mit dem wichtigen Kommunikationsbereich glaubt die PdL mit Paolo Romani, der für sie bis 2011 Ressortchef war, den richtigen Mann zu haben. Doch auch der aktuelle parteilose Amtsinhaber Corrado Passera hat weiterhin Chancen.

Allgemein strebt Berlusconis Partei an, íhre führenden Leute, wie Parteichef Angelino Alfano, der Vizepremier werden könnte, die Klubobleute Brunetta und Schifani, Kammervizepräsident Maurizio Lupi und die Ex-Ministerinnen Mariastella Gelmini (Unterricht) und Mara Carfagna (Gleichstellung) in Lettas künftigem Kabinett unterzubringen.

Im Zuge der eintägigen Konsultationen, die Letta am Donnerstag führte, zeigte sich, wer nicht einer Regierung der breiten Verständigung angehören dürfte: Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung (M5S), die linksökologische SEL von Nichi Vendola - die bei den Wahlen in einer Koalitionsgemeinschaft mit der PD angetreten war -, die mit der PdL verbündete Lega Nord sowie die "Fratelli d’Italia", eine von der PdL abgespaltete Gruppierung von früheren postfaschistischen Alleanza-Nazionale-Abgeordneten.

Ambivalent ist die Haltung innerhalb von Lettas PD. Während der demissionierte Parteichef Pier Luigi Bersani und die frühere Fraktionschefin im Senat, Anna Finocchiaro, wie auch der kurzweilig als Premier zur Debatte stehende Florentiner Bürgermeister Matteo Renzi Letta ihre uneingeschränkte Unterstützung zusagten, kommen vor allem aus dem christdemokratischen Flügel, der einer Regierung mit einem Berlusconi-Block ablehnend gegenübersteht, nach wie vor Einwände. Der Diplomat Sandro Gozi, ein Anhänger von Romano Prodi, wünscht sich, dass die Regierung höchstens ein halbes Jahr hält und in siebeneinhalb Monaten Neuwahlen abgehalten werden. Einem Kabinett mit PdL-Klubchef Schifani als Minister werde er nicht sein Vertrauen aussprechen. Viele junge PD-Abgeordnete wiederum wollen eine Regierung Lettas zwar aus Parteiräson unterstützen, Ministerposten wollen sie aber keine haben.

Uneingeschränkte Zustimmung hat hingegen Montis Zentrumspartei angekündigt. Monti selbst steht - so wie Massimo D’Alema (PD) - als Außenminister zur Debatte.

Es wird damit gerechnet, dass Lettas Kabinett so wie die derzeitige Regierung 18 Minister umfasst. Wenn sich nicht noch neue Schwierigkeiten ergeben, könnte Letta schon am Sonntag seine Ministerliste Staatspräsident Giorgio Napolitano übergeben.