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Finanzminister Karl-Heinz Grassers (F) Sparpläne haben den Stein "Klassenschülerzahlen" wieder ins Rollen gebracht. Sitzen wirklich zu viele Schüler in den Klassen?
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"Größere Klassen und weniger Lehrer", forderte Grasser laut APA vergangene Woche. Man habe ihn missverstanden, sagte er am Tag darauf - aber die Protestwelle rollte bereits.
"Grasser hat keine Ahnung von Bildung!", kommentierte der Wiener Landesschulsprecher Martin Binder-Blumenthal. Die SP ortete eine "Demontage des Bildungssystems". In einem Versuch die Wogen zu glätten, sprach sich die VP-Bildungsministerin, Elisabeth Gehrer, gegen eine Erhöhung der Klassenschülerzahlen aus. Allerdings solle die Anwesenheitszeit der Lehrer im Klassenzimmer erhöht werden.
Der Finanzminister hatte sich auf eine Studie der Organisation für Entwicklungszusammenarbeit (OECD) bezogen, die das Verhältnis "Lehrer-Schüler" in Österreich gut bewertet. Der Usus Verwaltungstätigkeiten der Lehrer mit einer Verringerung der Stunden abzugelten, verfälscht allerdings das Ergebnis.
Ebenso ungenau ist laut Gertrude Brinek, Erziehungswissenschafterin an der Uni Wien und VP-Abgeordnete zum Nationalrat, eine Studie, wonach in jeder fünften BHS- und in jeder zehnten AHS-Klasse mehr als die gesetzlich erlaubten 30 Schüler sitzen. Diese Zahlen würden nur auf die Unterstufen und dort meist auch nur bis Weihnachten oder Februar zutreffen, so Brinek gegenüber der "Wiener Zeitung". Vielmehr seien 60 Prozent der Klassen mit bis zu 25 Schülern besetzt und nur 13 Prozent bestünden aus mehr als 30 Jugendlichen, führte Brinek aus.
Opposition und Familienverbände beharren jedoch auf einer Senkung der Schülerhöchstzahlen. Nur so könne die nötige Individualbetreuung gewährleistet werden, betont etwa die Vorsitzende der SPÖ-Kinderfreunde Waltraud Witowetz-Müller. Die Kommunikation im Sprachunterricht würde in großen Gruppen zu kurz kommen.
Sollte die Klassenschülerhöchstzahl angehoben werden, befürchten Gegner einen Qualitätsabfall der Ausbildung wenn mehr Jugendliche in einer Gruppe wären. Erziehungsexpertin Brinek sieht dies anders. Durch eine Senkung der Schülerzahl erhöhe sich nicht automatisch die Qualität. Ein guter Unterricht sei sowohl in Klein- als auch in Großgruppen möglich, erläuterte Brinek. Eine größere Gruppe ermögliche den Schülern ein "Ausrasten an einem langen Schultag", denn in einer Kleingruppe müsse sich jeder Einzelne viel öfter zu Wort melden.
Brineks Ansicht nach mache eine Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf 28 oder 26 "das Kraut nicht fett", da ohnehin drei Viertel der Klassen unter der derzeitigen gesetzlichen Höchstschüleranzahl liegen. Es bestehe daher kein "akuter Handlungsbedarf". Opposition, sowie Schüler- und Elternvertreter wollen dennoch am Donnerstag vor dem Finanzministerium für eine Senkung der Schülerzahlen protestieren.