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Tea Party mit Rausch und Kopfweh

Von Michael Schmölzer

Politik

62 Republikaner im US-Kongress werden von der Tea-Party unterstützt. | Neue Rechte im politischen System vorerst fix etabliert. | Washington/Wien. Sie haben die eingangs paralysierten Republikaner zum Leben erweckt, waren die grellste Erscheinung im Wahlkampf: Die Kandidaten der ultrakonservativen Tea-Party-Bewegung verstanden es nicht nur, sich nach der traumatischen Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen 2008 in einen Taumel zu reden - sie begeisterten auch immer mehr US-Bürger, die mit Obamas "Change" nichts anfangen konnten.


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Die neue US-Rechte sah deshalb vor der Kongresswahl mit einiger Berechtigung glorreichen Erfolgen entgegen, man werde das Washingtoner Kapitol im Sturm nehmen, hieß es.

Herausgekommen ist ein Sieg mit schalem Beigeschmack. Der im Vorfeld prophezeite Durchmarsch der Tea Party ist nicht gelungen, die Anti-Establishment-Partei musste vielmehr bittere Pillen schlucken. Kopfschmerz bereitet vor allem die Niederlage der Senats-Kandidatin Christine O Donnell in Delaware, ein besonders großes Übel ist aus Sicht der Republikaner aber die Schlappe Sharron Angles in Nevada. Letztere hätte die Möglichkeit gehabt, den demokratischen Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, zu bezwingen. Wären diese zwei Senatssitze an die Republikaner gegangen, wäre die Grand Old Party einer Mehrheit im Oberhaus zumindest nahe gekommen. O Donnell musste sich geschlagen geben, nachdem im Wahlkampf Videos aufgetaucht waren, in denen sie sich als Anhängerin eines frivolen Hexen-Kultes outet. Das schadete der Glaubwürdigkeit der strammen Konservativen, die Pornografie als "Teufelszeug" bezeichnet und gemeint hat, man sollte kein Steuergeld für Aidskranke einsetzen.

Wenig erfolgreich schlug sich auch der von Tea-Party gestützte Carl Paladino. Er wurde bei den Gouverneurswahlen in New York vom Demokraten Andrew Cuomo geschlagen - und das, obwohl Paladino versprochen hatte, er werde New York "mit einem Baseballschläger aufräumen".

Für Zähneknirschen sorgt bei den Republikanern, dass so mancher etablierter Kandidat der "Grand Old Party" um seinen sichern Sieg gebracht wurde, weil er bei der Vorausscheidung von einem exaltierten Tea-Party-Kandidaten aus dem Weg geräumt worden war. Zu einer eigenartigen Situation kam es deshalb in Alaska. Der Kandidat der Tea-Party, Joe Miller, schlug dort die Republikanerin Lisa Murkowski aus dem Feld - was sich diese prompt nicht bieten ließ und als unabhängige Kandidatin für den Senat antrat. Nach vorläufigem Stand der Dinge wurde Murkowski gewählt, allerdings muss erst entschieden werden, ob die Wähler ihren Namen bei der Stimmabgabe korrekt geschrieben haben.

Neue Rechte am Ruder

Diese Misserfolge täuschen nicht darüber hinweg, dass sich die Tea-Party vorläufig im politischen System der USA festgekrallt hat. Mindestens 62 Republikaner, die von der Tea-Party unterstützt werden, ziehen in den Kongress ein, ultrakonservative Kandidaten haben den Demokraten mehr als ein Dutzend Sitze im Repräsentantenhaus abgenommen. Drei Tea-Party-Kandidaten - unter ihnen die Shooting-Stars Rand Paul und "Schönling" Marco Rubio - sitzen im Senat. In South Carolina regiert mit Nikki Haley eine Gouverneurin, die von Sarah Palin, Ikone der Tea-Party, unterstützt wurde.

Der neuen Anti-Obama-Bewegung fielen auch Polit-Schwergewichte zum Opfer. Etwa Ike Skelton, Vorsitzender des Streikräfteausschusses im Repräsentantenhaus. Der verdiente Mann und Demokrat muss nach 34 Dienstjahren den Hut nehmen, weil er der Republikanerin Vicky Hartzler unterlag.