Mit Joe Miller in Alaska hat es schon der siebente Vertreter der radikal-konservativen Tea-Party geschafft, eine republikanische Vorwahl für sich zu entscheiden. Wer von dieser gegen Barack Obama gerichtetem Protestbewegung unterstützt werden will, muss einen strengen "Reinheitstest" bestehen (etwa gegen Homo-Ehe, für Krieg; gegen Amnestierung illegaler Einwanderer, für niedrige Steuern).
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Zuerst muss man sich etwas klar vergegenwärtigen: Alle Politiker der Tea-Party-Bewegung, die für die kommenden Wahlen kandidieren, sind Republikaner. Die Tea-Party denkt auch nicht daran, eine eigene Partei zu formieren. Das wäre nach derzeitigem Stand gar nicht möglich, da es sich um eine lose Bewegung ohne klare hierarchische Struktur handelt. Sie kann lediglich auf prominente Exponenten verweisen, wie die ehemalige US-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin.
Die Tea-Party erinnert entfernt an die Hochschülerschaftswahlen in Österreich Mitte der 1990er. Damals faszinierte die anarchisch anmutende "Liste Freibier" studentische Revoluzzer und Politikverdrossene. Nach der Wahl stellte sich allerdings heraus, dass die Liste lediglich eine Abspaltung der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft war, die auf diese Weise versucht hatte Protestwähler einzufangen. Im Fall der Tea-Party ist die Allianz zur republikanischen Partei zwar bereits offenkundig, doch das Ziel, zusätzliche Protestwähler zu rekrutieren, ist dasselbe.
Der Hass auf Washington und somit die Systemkritik ist eines der Zugpferde der Tea-Party, womit sie Obama ein Kernthema gestibitzt hat. Der hat bereits im Präsidentschaftswahlkampf die Politikverdrossenheit der Amerikaner erkannt und deren Wut auf Washington, das für gesicherte Pfründe steht, für ein aristokratisches System, für Ohnmacht, die Geschehnisse im Land auch nur im Entferntesten beeinflussen zu können (vergleichbar mit den Vorwürfen der EU-Kritiker gegen Brüssel). Obama versprach, alles transparent zu machen, das System aufzubrechen. Nun haben die Republikaner mit der Tea-Party den Spieß umgedreht.
Für republikanische Außenseiter oder Politiker am absteigenden Ast bietet die Tea-Party eine exzellente Gelegenheit, sich zu profilieren. Die Partei wiederum kann sich bis zu den kommenden Wahlen selbst erneuern. Der beinharte Wettbewerb zwischen den Heißspornen der Tea-Party und den Alteingesessenen selektiert perfekt, wem die Wählerherzen und die Zukunft gehören und wem nicht. Gleichzeitig erfährt die Partei eine Erneuerung hin zu dem in den vergangenen Jahrzehnten zu kurz gekommenen Libertarismus, also der größtmöglichen Entkräftung des Staats und weitestgehenden Stärkung der Eigentumsrechte.
Kurzfristig wichtiger als die Partei-Erneuerung ist allerdings die Wähler-Mobilisierung. Denn die Anhänger der Tea-Party werden am 2. November auf jedem Fall auf dem Wahlzettel ihr Kreuz bei den Republikanern machen, die sich danach sehnen, die demokratische Mehrheit im Kongress zu brechen.
Siehe auch:Tea-Party feiert Triumph in Alaska