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"Tea Party wird für Republikaner zum Problem"

Von Alexander U. Mathé aus den USA

Politik

Die schlechte Wirtschaft macht Obama zu schaffen. | Demokraten haben ihre Strategie schlecht vermittelt. | "Wiener Zeitung": Sie haben unlängst ein paar ungewöhnliche Statistiken präsentiert: Zum einen, dass die Mehrheit der Bevölkerung Obamas Gesundheitsreform unterstützt, zum anderen, dass sie nicht gegen einen stärkeren Staat ist. Normalerweise bekommt man das Gegenteil zu lesen. Wie erklären Sie sich das?


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Ruy Teixeira: Beginnen wir mit der Gesundheitsreform. Es kommt sehr darauf an, wie die Meinungsforscher die Frage formulieren. Die positivsten Resultate für die Gesundheitsreform hat man immer erhalten, wenn man - wie in diesem Fall - gefragt hat: "Sind Sie dafür oder dagegen?" Andere Werte kommen heraus bei: "Halten Sie das für eine gute oder für eine schlechte Idee?" Bei der ersten Frage überlegen sich die Leute, ob das Gesundheitssystem generell reformiert gehört, was sie seit jeher befürworten. Bei der anderen denken sie an den legislativen Prozess, den sie ablehnen - traurig, aber wahr.

Welchen Schluss ziehen Sie daraus?

Dass die Gesundheitsreform nie, wie gemeinhin angenommen, heftig abgelehnt wurde. Dass die Menschen das, was im Gesetz steht, grundsätzlich unterstützen. Die ganzen Schutzmaßnahmen sind eigentlich extrem populär. Was nicht populär ist, ist die Durchsetzung an sich.

Die Republikaner werden aber doch bei den Wahlen sehr gut abschneiden?

Ja, aber das hat absolut nichts mit der Gesundheitsreform zu tun.

Womit dann?

Damit, dass die Wirtschaftsdaten fürchterlich sind. Die Bevölkerung hat das Gefühl, dass umsonst ein Haufen Geld ausgegeben wurde, um das Problem zu lösen. Deshalb sind sie auf die regierende Partei wütend. Dabei hat die Regierung die Situation so gut wie nur irgend möglich gehandhabt. Unter den gegebenen Umständen hat alles, was sie gemacht hat, funktioniert. Offensichtlich wird das aber erst in ein paar Jahren. In keinem Land der Welt haben die Menschen eine realistische Vorstellung davon, wie die Wirtschaft funktioniert und was es braucht, um große Probleme zu lösen - die USA sind da keine Ausnahme. Sie urteilen lediglich gemäß dem, was sie vor ihrer eigenen Nase sehen.

Die Mehrheit der Amerikaner gibt aber doch viel mehr Ex-Präsident Bush die Schuld an der schlechten Wirtschaftslage als Obama?

Das stimmt, aber Bush ist nun einmal nicht im Amt, sondern Obama. Die Leute denken sich zwar: "Ja, ja, alles ist beim Teufel und schuld daran ist hauptsächlich der Bush", aber einen Teil der Schuld geben sie Obama und den können sie bei den Wahlen bestrafen.

Und wie ist das mit der Debatte über einen starken oder schwachen Staat?

Eine Sache ist, dass die Menschen mit der Leistung der Regierung unzufrieden sind. Eine andere, ob sie deshalb den Staat so weit wie möglich entmachten wollen. Die kommenden Wahlen sind eine Leistungsbeurteilung, bei der den Demokraten ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wird. Das ist aber kein ideologischer Ansatz, der die Forderung der Republikaner nach einem kleinen Staat unterstützt. Der Wunsch ist nicht, dass der Staat kleiner wird, sondern dass er besser wird.

So wie es aussieht, werden die Republikaner das Repräsentantenhaus erobern, während der Senat in demokratischer Hand bleibt. Wird damit das Regieren für Obama leichter? Bisher haben die Republikaner grundsätzlich Front gegen alles gemacht, was von den Demokraten vorgeschlagen wurde. Erhalten sie eine Kammer im Kongress, müssten sie doch Verantwortung übernehmen und mit der anderen in Verhandlungen treten.

Ich glaube nicht. Vielleicht in einer anderen Welt mit einer anderen republikanischen Partei. Vor allem einige der neuen Abgeordneten werden gewählt werden, weil sie Obama zum Antichristen erklärt haben. Daher muss gegen alles Widerstand geleistet werden, was von ihm und der Regierung kommt. Das heißt, was sie vordergründig versuchen werden, ist das rückgängig zu machen, was die Regierung bisher durchgesetzt hat; wie zum Beispiel die Gesundheitsreform oder die Finanz-Regulierungen. Sie wurden gewählt, um zu allem Nein zu sagen, was die Regierung machen will, daher können sie es sich gar nicht leisten, moderat zu agieren.

Wie geht es mit der Tea Party nach den Wahlen weiter?

Die wird nicht einfach verschwinden - so sehr sich das auch mancher Republikaner wünscht. Die Geister, die sie gerufen haben, sind da und sagen zu Recht: "Ohne uns wäre die republikanische Partei tot." Und nachdem die Republikaner nur dank der Tea Party so erfolgreich sind, werden deren Vertreter ihren Positionen Nachdruck verleihen. Das wird spätestens bei der Präsidentschaftswahl 2012 zum Problem. Denn da kommt eine vielschichtigere und moderatere Wählerschaft ins Spiel. Wenn die Republikaner da nicht gemäßigter aufzutreten, werden sie viele Wähler verschrecken. Das wird mit den Leuten von der Tea Party aber schwierig werden, die versuchen, die Partei fundamentalistischer zu machen.

Obama ist im Moment nicht sonderlich populär und tourt trotzdem quer durch das Land. Welche Rolle kommt ihm in dem Wahlkampf zu?

Er kann versuchen, in umstrittenen Bezirken Wähler aus der politischen Mitte zu gewinnen. Er muss auch versuchen, Wähler an die Urnen zu bringen, die die Republikaner nicht mögen. Ich bin mir sicher, dass die Demokraten genau analysiert haben, wo er von Nutzen sein kann, und dort tritt er auch auf. Ob er wirklich helfen kann, weiß ich nicht. Es gibt Leute, die sagen, was da kommt, ist ein bisschen zu wenig und ein bisschen zu spät.

Was hätte Obama besser machen können?

Viele würden wohl sagen, dass er nicht Sachen hätte machen sollen, wie das Gesundheitssystem zu reformieren. Das heißt, wenn du in diesem fundamentalistischen, konservativen, rechtsgeneigten Land ein Amt übernimmst, ist das Letzte, was du tun solltest, anzunehmen, dass du ein Mandat für solche Sachen hast. Ich teile diese Ansicht nicht. Die Leute wählen einen schließlich, um Dinge in Ordnung zu bringen. Man kann darüber diskutieren, ob Obama die Wirtschaftslage nicht besser in den Griff bekommen hätte können. Ob es nicht besser gewesen wäre, in die Ankurbelung der Wirtschaft die geplanten 1,3 Billionen Dollar zu investieren statt der 800 Milliarden, die es dann geworden sind. Ich persönlich glaube, dass er nicht mehr durchbekommen hätte. Aber mit 1,3 Billionen hätten sie die Arbeitslosenrate etwas drücken können. Was die Demokraten verabsäumt haben, ist, den Leuten zu kommunizieren, was sie machen. Sie hätten den Wirtschafts-Plan besser verkaufen müssen. Sie hätten sagen müssen: "Wir tun das, weil wir es tun müssen und ihr müsst uns vertrauen, dass das funktionieren wird."

Was ist die wichtigste Lektion, die wir aus dieser Wahl lernen?

Übernimm nicht die Macht, wenn es der Wirtschaft schlecht geht. Aber das ist keine Lektion im eigentlichen Sinn.

Zur PersonRuy Teixeira ist Politikexperte am Think Tank "Center for American Progress". Er ist Kolumnist und betreibt den Blog http://www.thedemocraticstrategist.org/ Foto: Center for American Progress