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Teamwork gegen Schmerz

Von Gertrude Kallinger

Wissen

Der Schmerz als eigenständiges Phänomen wurde bis vor wenigen Jahrzehnten in der Medizin recht stiefmütterlich behandelt. Erst vor etwas mehr als 30 Jahren wurde in Österreich die erste Schmerzambulanz gegründet. Vieles hat sich seit damals hierzulande verändert, vieles bleibt noch zu tun. - Anlässlich der Gründung der interdisziplinären Schmerzambulanz im Krankenhaus Lainz vor fünf Jahren wurde im Rahmen einer Feier auf die Erfolge der letzten Jahre vor allem in der Zusammenarbeit verschiedener, mit Schmerzen betrauter Abteilungen hingewiesen. Der Weg der modernen Schmerztherapie geht eindeutig in Richtung Interdisziplinarität.


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"Am Anfang musste dem ursprünglich sehr kleinen Schmerzteam ein unbenützter, ausgedienter gynäkologischer Operationssaal als Ambulanzraum genügen", erinnerte sich Mag. DDr. Herbert Krenn, Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin, KH Lainz. "Die Idee dahinter war, internationalen Forderungen entsprechend, eine Schmerzambulanz, bestehend aus Ärzten verschiedener Fachrichtungen zu gründen."

Rasch entstand ein Team zusammengesetzt aus Anästhesisten, Strahlentherapeuten, Neurologen und Fachärzten der physikalischen Medizin. Auch die Zahl der Mitarbeiter erhöhte sich von ursprünglich drei im Gründungsjahr 2000 auf mittlerweile dreizehn. Im Team fest integriert sind weiters eine Psychologin und eine Psychotherapeutin.

Es liegt auf der Hand, dass eine Zusammenarbeit mehrerer gleichberechtigter Abteilungen, die sich noch dazu durch verschiedene Sichtweisen des Schmerzes und seines therapeutischen Ansatzes unterscheiden, nicht immer einfach ist. Im Krankenhaus Lainz versucht man erfolgreich, diesem Phänomen durch regelmäßig abgehaltene Teamgespräche und Schmerzkonferenzen zu begegnen. Besonderes Augenmerk legen die Mitarbeiter der Ambulanz auch auf die Aus- und Weiterbildung im eigenen Haus, aber auch über die Grenzen des Krankenhauses hinaus. So wurde 2004 ein spezielles Weiterbildungsprogramm für Turnusärzte ins Leben gerufen. Ein Schmerzkurs für Pflegekräfte ist in Planung.

Psyche im Vordergrund

"Als wir im Februar 2000 mit unserer Schmerzambulanz begonnen haben, betreuten wir knapp 250 Patienten im Jahr. Bis zum Vorjahr stieg diese Zahl nahezu auf das Dreifache an", resümierte Krenn. Seit Bestehen der Ambulanz wurden fast 6.000 Einzelleistungen erbracht. Im Vordergrund steht der psychosomatisch und psychotherapeutische Ansatz der Schmerztherapie. Nur in Ausnahmefällen wird eine interventionelle Schmerztherapie durchgeführt.

Krenn: "Das Angebot an schmerzlindernden Verfahren umfasst ein weitreichendes Spektrum. Akupunktur, medizinische Hypnose, Shiatsu, tiefenpsychologische Schmerzgruppen etc., um nur einige therapeutische Ansätze zu nennen, werden neben medikamentöser Therapie den Patienten angeboten." Betrachtet man die Altersverteilung der behandelten Patienten, so fällt auf, dass der zahlenmäßig größte Anteil der Patienten zwischen 61 und 80 Jahren alt ist. "Die jüngste unserer behandelten Patientinnen war gerade 9 Jahre alt, die Älteste fast 100." berichtete Krenn.

Die Rolle der Anästhesie

Betrachtet man die Entwicklung der Anästhesiologie und der Schmerzmedizin, so fällt bereits am Beginn der Anästhesiologie als eigene Fachrichtung die enge Verzahnung zur Schmerzbehandlung auf. So verwundert es auch nicht, dass ein namhafter Anästhesist, John Bonica, 1953 mit seinem Werk "The management of pain" den Grundstein zur modernen interdisziplinären Schmerzmedizin gelegt hat. 20 Jahre später wurde als logische Konsequenz von der Abteilung für Anästhesiologie des Wiener AKH die erste österreichweite Schmerzambulanz eröffnet.

Wie jung die moderne Schmerztherapie wirklich ist, lässt sich am besten am Gründungsjahr - 1973 - der "International association for the study of pain", des Weltdachverbandes der Schmerzgesellschaften, ablesen. Zwei Jahre später wurde die "Gesellschaft zum Studium des Schmerzes", kurz GSS, ins Leben gerufen.

"Trotz der geschichtlich belegten Zusammenhänge war der Anästhesist lange nicht als eigenständiger Schmerztherapeut im Bewusstsein nichtanästhesiologischer Kollegen verankert", sagte Univ.-Prof. Dr. Hans-Georg Kress von der Univ.-Klinik für Anästhesiologie und Allgemeine Intensivmedizin des AKH Wien. Es bedurfte einiger Anstrengung, bis es zu einer ausgewogenen Kooperation der einzelnen Fachrichtungen kam.

Ein besonderes Anliegen war es der 1996 gegründeten Arbeitsgemeinschaft ARGE Schmerz, ein interdisziplinäres Zertifikat für Schmerzmedizin zu etablieren. Der Kurs schließt mit einem im gesamten deutschsprachigen Raum anerkannten Zertifikat ab. "In Österreich wurde vieles in der Schmerzmedizin erreicht, vieles bleibt allerdings noch zu tun, so zum Beispiel die Schaffung eines ÄK-Diploms für Schmerztherapie. Die ÖSG wird weiterhin aktiv bleiben im Sinne einer qualitativ hochwertigen interdisziplinären Schmerzmedizin", erklärte Kress.