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"Technologie ist die neue Währung"

Wirtschaft
Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG, Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit, und Harald Katzmair, Gründer und Direktor FASresearch, diskutieren mit Walter Hämmerle, Chefredakteur der Wiener Zeitung, über die Zukunft der Arbeit.
© Wiener Zeitung

Die Arbeitswelt hat sich im Zuge der Corona-Krise und der fortschreitenden Digitalisierung stark verändert. Welche Rolle spielt der Faktor Mensch hier noch?


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Die Arbeitswelt wandelt sich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit, getrieben durch Digitalisierung, Globalisierung und aktuell durch die Pandemie. Arbeit war und ist eine der großen Konstanten des menschlichen Daseins. Sie dient sowohl dem Erwerbszweck, kann aber auch kreativ und sinnstiftend sein. Wird es zukünftig noch Jobs für Menschen geben, oder werden Maschinen und Roboter diese übernehmen? Brauchen wir dann überhaupt die Arbeit, wenn die Arbeit uns nicht mehr braucht? Was kann und wird der Mensch stattdessen tun? Welches neues Verständnis von Arbeit wird aufzubauen sein? Werden die zentralen, zukünftigen Werte der "New Work" Freiheit, Selbständigkeit und Teilhabe an der Gemeinschaft sein?

Die "Wiener Zeitung" sprach in ihrer Diskussionsreihe "Digitaler Humanismus" am Montag mit Infineon-Chefin Sabine Herlitschka, Arbeitsminister Martin Kocher und dem Gründer von FASresearch sowie Lektor an der Universität für Angewandte Kunst, Harald Katzmair, über die Zukunft der Arbeitswelt. 

"New Jobs" statt "No Jobs"

"Wir erleben, dass Digitalisierung unser aller Leben stark verändert, nicht erst seit Corona", sagte Anita Eichinger, Chefin der Wienbibliothek in ihrem Eingangsstatement. Die Pandemie habe dieser Veränderung aber einen Schub verpasst. "Es gibt drei Formen von Arbeit: die Arbeit an uns selbst, die Arbeit an anderen, und die Erwerbsarbeit", sagte Katzmair eingangs. Es sei an der Zeit, nun eine gesellschaftliche Debatte darüber zu führen, was Erwerbsarbeit ist, ergänzte Arbeitsminister Kocher. Bisher seien der Digitalisierung noch nicht allzu viele Arbeitsplätze zum Opfer gefallen, sagte Kocher in Anlehnung an die viel diskutierte Studie der Oxford-Wissenschafter  Carl Benedikt Frey und Michael A. Osbourne zur Zukunft der Arbeit. 2013 prognostizierten sie, dass jeder zweite US-Job aufgrund der Digitalisierung in Gefahr sei. Bis zur Coronakrise seien in Österreich eher mehr Jobs entstanden.

"Wir haben in den letzten 10 Jahren 2.000 neue Arbeitsplätze geschaffen", sagte Infineon-Chefin Herlitschka. Vor allem im technischen und digitalen Bereich seien viele neue Stellen und Berufe entstanden. So viele, dass man hier eher Schwierigkeiten habe, qualifiziertes Personal zu finden, erklärte Herlitschka. Auch Kocher sprach von einem sogenannten Missmatch am Arbeitsmarkt, also von Fachkräftemangel trotz hoher Arbeitslosigkeit.

Das sei darauf zurückzuführen, dass viele Arbeitslose die neuen Anforderungen nicht erfüllen. "Viele Menschen haben die persönlichen Voraussetzungen nicht", sagte Katzmair. Es sei schwer, schlecht ausgebildete Menschen hier mitzunehmen, die Gesellschaft laufe Gefahr, sie zu verlieren.

Corona als Chance

Die gegenwärtige Krise müsse genützt werden, um alles, was in kurzer Zeit digital erreicht wurde, voranzutreiben und zu implementieren, meinte Herlitschka. "Auf einmal war Vieles digital möglich, was vorher unmöglich schien. Allein, was in den Schulen hier passiert ist", sagte sie. "Die Kinder haben viele Fähigkeiten gelernt, die sie später im Leben brauchen werden."

Die Frage nach Digitalisierungs-Verlierern und -Gewinnern wirft auch die Frage nach einem bedingungslosen Grundeinkommen auf. "Der Teufel liegt hier im Detail", sagte Harald Katzmair. Grundsätzlich sei aber immer mehr Flexibilität gefragt, eben auch finanzielle, waren sich Herlitschka und Kocher einig. Es müsse mehr Spielraum und Sicherheit zum Beispiel für Bildungskarenzen, Weiterbildung oder auch die Pflege von Angehörigen geben. "Das bedingungslose Grundeinkommen darf aber nicht zu einer Geringschätzung von Arbeit führen", sagte Kocher.

In puncto Homeoffice, ein Schlüsselelement der Pandemiebekämpfung, sagte Kocher, dass es derzeit darum gehe, gut über die aktuelle Situation zu kommen. Was davon und in welcher Form bleiben werde, müsse noch evaluiert und nüchtern durchdiskutiert werden.

Europas Rolle noch unklar

Die aktuellen Entwicklungen im Bereich Technologie und Digitalisierung seien auch eine Standort-Frage, meinte Herlitschka. Die großen technischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte sind nicht in Europa passiert. Die EU läuft derzeit Gefahr, im Vergleich mit den USA und China ins Hintertreffen zu geraten. "Wir müssen wieder die Hoheit über die Künstliche Intelligenz erlangen. Die neue Währung ist die Technologie", sagte die Infineon-Chefin.

Die Pandemie biete aber auch die Möglichkeit des Neustarts und der Diskussion über einen neuen, digitalen Humanismus, meint Katzmaier. "Wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen: Wie werden Daten zu Information, Information zu Wissen und Wissen zu Weisheit." (del)