Was haben sie sich nicht gegenseitig beleidigt und verteufelt. Wenn man die Flut der rhetorischen Hetze zwischen den USA und Iran zum Maßstab der Politik macht, dann ist es um ihr Verhältnis katastrophal bestellt: Teheran verteufelt die USA als den "Großen Satan", die Regierung von George W. Bush zählt das Mullahregime zur "Achse des Bösen". Während Bushs Irak-Kurs kurz vor dem Kollaps steht, leugnet Irans Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad den Holocaust und droht, Israel von der Landkarte zu tilgen.
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In dieser Situation, wo auch der Atomstreit wegen der umstrittenen Urananreicherung Teherans und der Weigerung der Iran-Freunde Moskau und Peking, scharfen Sanktionen zuzustimmen, im UN-Sicherheitsrat "verfault", muss der Westen neue Ansätze suchen, um im Irak eine Lösung herbeizuführen. Die chaotische Entwicklung im Irak, die Niederlage der Republikaner bei den Kongresswahlen und der zunehmende Druck seitens Großbritanniens zwingen Bush zur Neuausrichtung seiner Politik. Er muss Zugeständnisse machen und jene Regionalmacht in seine Politik einbeziehen, die er zutiefst ablehnt: Iran.
Ob dies gelingen wird, ist nicht absehbar. Doch ist es auch nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. Erst im März hatten sich die Mullahs in Person von Revolutionsführer Ali Khamenei für "Iraktalks" mit den USA ausgesprochen. Die Amerikaner nahmen die Offerte aber nicht auf, da sie Khameneis unnachgiebige Haltung im Atomstreit als Barriere sahen. Nun ein neuer Anlauf. Eine neue Diplomatie hat nur dann Aussichten auf Erfolg, wenn die einzelnen Themenfelder - Irak, Atomstreit, Israel - zumindest vorerst getrennt voneinander behandelt werden.
Dies hieße, die USA - und Israel - müssten einen hohen Preis zahlen und damit aufhören, ihre Agenda auf Irans Atomprogramm und den Machenschaften der Hisbollah im Libanon, die von den Mullahs unterstützt wird, zu beschränken. Sollte in der Irak-Frage ein Konsens gelingen, könnte dies sich auch positiv auf den Atomstreit auswirken.
Teheran hat bewiesen, dass es bei gewissen Themen gesprächsbereit ist, wenn es seinen Interessen dient. Schon im Januar 2003, nur wenige Wochen bevor die USA zum Sturm auf Bagdad bliesen, hatten sich iranische und US-Spitzendiplomaten heimlich in London getroffen. Damals gelang es den USA, Teheran das Zugeständnis abzuringen, den Sturz von Saddam Hussein zu unterstützen. Den USA wurde zugesagt, dass er im Iran keine Zuflucht finden würde und dass US-Flugzeuge im Notfall auf iranischem Gebiet landen dürften.
Saddam ist weg, nun geht es Iran darum, die USA aus der Region zu drängen, um selbst die führende Macht zu werden. Dann befände sich nicht mehr in der Zange, in der Amerika das Land hält, weil die Supermacht im Irak und in Afghanistan steht. Momentan hat Teheran die besseren Karten, und es sieht so aus, als ob Bush diese bittere Pille schlucken müsste.