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Teheran in eine syrische Lösung einbinden

Von Thomas Schmidinger

Gastkommentare
Thomas Schmidinger ist Lektor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und der Fachhochschule Vorarlberg.

Nach Russland wird offenbar auch dem Iran klar, dass Assad bald Geschichte sein könnte - vielleicht die letzte Chance auf eine diplomatische Lösung.


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Wie in anderen Staaten des sogenannten Arabischen Frühlings waren auch die zivilen Proteste in Syrien ursprünglich weitgehend von säkularen, liberalen und linken Aktivistinnen und Aktivisten getragen. Die im Nationalen Koordinationskomitee für demokratischen Wandel der syrischen Kräfte zusammengeschlossenen Gruppierungen, die nicht nur gegen Präsident Bashar al-Assad, sondern auch gegen eine Militarisierung des Widerstands auf die Straße gingen, sowie die im Obersten Kurdischen Komitee zusammengeschlossenen kurdischen Parteien versuchten bisher vergeblich einen konfessionalisierten Bürgerkrieg zu verhindern.

Die militärische und politische Unterstützung des Regimes auf der einen und der Freien Syrischen Armee und ihrer dschihadistischen Verbündeten auf der anderen Seite hat das Land in einen regionalen Stellvertreterkrieg getrieben. Während das Regime vom Iran und von Russland gestützt wurde, erhielten die sunnitisch dominierten Oppositionsmilizen Waffen und Geld aus der Türkei, Saudi-Arabien und Katar. Die säkularen Oppositionskräfte verloren im Zuge dieser Militarisierung zunehmend an Boden. Stattdessen konnten salafitisch-dschihadistische Gruppen wie Jabhat an-Nusra oder jene, die sich am Wochenende zu einer neuen Islamischen Front Syriens zusammengeschlossen haben, massiv an militärischem und politischem Einfluss gewinnen.

Nun schlägt jedoch der Iran erstmals eine "Übergangsperiode" bis zu Neuwahlen vor, in der "verschiedene politische Vertreter Syriens die nächsten Schritte bezüglich Neuwahlen und Verfassung einleiten" sollen, wie es ein Sprecher des iranischen Außenministeriums formuliert hat. Zuvor hatte Syriens Vizepräsident Farouq al-Sharaa in der libanesischen Zeitung "Al-Akhbar" eine "historische Lösung" mit der Opposition gefordert, da keine der Konfliktparteien im Land den Krieg militärisch gewinnen könne.

Zwar ist noch nicht ganz klar, wie weit die Initiative Al-Sharaas und Teherans mit Assad selbst abgesprochen ist, allerdings würde der Westen gut daran tun, diese ernst zu nehmen und Russland und den Iran in eine diplomatische Lösung des Bürgerkrieges einzubinden. Dafür muss man weder Wladimir Putin noch das iranische Regime lieben. Die beiden Staaten dürften gerade aufgrund ihrer Unterstützung des syrischen Regimes die einzigen sein, die auf dieses noch Einfluss ausüben können. USA und Nato werden aufgrund ihres Naheverhältnisses zur Türkei und zu Saudi-Arabien nur die Opposition beeinflussen können. Als neutraler Makler könnte allenfalls noch China eine Vermittlungsrolle spielen.

Eine solche diplomatische Lösung, die sämtliche politischen Kräfte des Landes einbeziehen müsste, könnte die letzte Chance sein, Syrien nicht zu einem langfristig von konfessionalisierten Bürgerkriegen zerrütteten "gescheiterten Staat" werden zu lassen, in dem internationale dschihadistische Akteure weitgehend freie Hand hätten. Deshalb sollte der Westen zumindest versuchen, den Vorschlag aufzugreifen und diese Chance für die Diplomatie nicht aufgrund des Konflikts mit dem Iran ungeprüft in den Wind schlagen.