Heute Abend steigt in Hempstead, New York, die erste Fernsehdebatte Clinton versus Trump.
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New York/Washington D.C. – Da waren's nur noch zwei. Von allen Kandidaten der Republikaner fürs Weiße Haus, ursprünglich satte 16 an der Zahl, gab es bis Freitagnachmittag nur noch drei Aufrechte, die nicht zur Wahl Donald Trumps aufgerufen hatten: Jeb Bush, der Ex-Gouverneur von Florida und Präsidentensohn und -bruder. John Kasich, der Gouverneur von Ohio. Und Ted Cruz, der erzkonservative Senator von Texas. Umso größer war die Überraschung, als Cruz jetzt via Facebook bekannt gab, dass er sich "nach langer Überlegung und vieler Gebete" entschieden habe, Trump nicht nur seine eigene Stimme zu geben, sondern seine Anhänger auch zu seiner Wahl aufzurufen. Ein gut getimter Paukenschlag, der von dem New Yorker Immobilienmagnaten und Ex-Reality-TV-Star umgehend dankbar aufgenommen wurde: "Ich fühle mich sehr geehrt (…) Ich freue mich darauf, mit Senator Cruz in den kommenden Jahren zusammen zu arbeiten, um Amerika wieder großartig zu machen." Was Trump nicht sagte: dass er, wie am Sonntagabend durch die Arbeit der Journalisten des Online-Portals "Politico" bekannt wurde, Cruz schon seit Monaten still und leise mindestens Zehntausende, höchstwahrscheinlich aber Hunderttausende Dollar zahlt, um von ihm die E-Mail-Adressen seiner Wähler zu bekommen. Mit anderen Worten: ein an Zynismus kaum mehr zu überbietendes, abgekartetes Spiel, das mit dem Wahlaufruf Cruz' für seinen ehemaligen Rivalen lediglich seinen Höhepunkt erreicht hat. Es war nur die letzte, wenn auch eine zweifellos gewichtige Nachricht, die die USA auf den ersten Teil des großen Showdowns im Rennen um den Einzug ins Weiße Haus einstimmten.
Heute Abend um neun Uhr Ortszeit (drei Uhr morgens MESZ) treffen sich im Audimax der Hofstra University zu Hempstead, New York, die Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump zur ersten von insgesamt drei Fernsehdebatten. Als Dauer hat man sich auf eineinhalb Stunden geeinigt. Moderieren wird Lester Holt, ein bekannter Nachrichtensprecher des Senders NBC, der, im Kontext der Veranstaltung nicht ganz unwichtig, im Wählerverzeichnis als Republikaner aufscheint. Was Trump und sein Team im Vorfeld nicht davon abhielt, den 57-jährigen Afroamerikaner im Vorfeld als Demokraten hinzustellen, verbunden mit der unmissverständlichen Warnung, dass sie es nicht als Aufgabe der Moderatoren sehen, die Aussagen der Kandidaten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Was von außen besehen und angesichts der laufenden Ereignisse eigentlich das Gebot der Stunde sein sollte. In der Woche, die dem Duell voranging, schienen sich fast täglich Nachrichten zu überschlagen, von denen jede für sich genommen stellvertretend für praktisch alles stand, was die amerikanische Öffentlichkeit 2016 bewegt.
Trump: Aggressiv bis staatstragend
In Charlotte, North Carolina und in Tulsa, Oklahoma, fanden unter äußerst fragwürdigen Umständen zwei Afroamerikaner den Tod, nachdem sie von der Polizei aufgehalten worden waren. In einem Einkaufszentrum in Washington State ermordete ein türkisch-stämmiger 20-Jähriger fünf Menschen. In Cleveland, Ohio, starben am Samstag sieben Leute kurz nacheinander an einer Überdosis harter Drogen. Während man Clinton zutraut, auf alle mit diesen Geschehnissen verbundenen Themen mindestens eine Handvoll sachlicher Argumente darzulegen, lautet die meist gestellte Frage im Zusammenhang mit der Debatte indes: Welcher Donald Trump wird sich heute Abend zeigen? Der Raufbold, der Fakten, wenn sie sie nicht seinem Weltbild entsprechen, nicht nur ignoriert, sondern einfach steif und fest das Gegenteil behauptet und jeden rhetorisch niedermacht, der ihn darauf hinweist? Oder der "neue" Trump, der sich, von ein paar wenigen Ausrutschern hier und da abgesehen, auf einmal ganz staatstragend und präsidentiell gibt? Vieles spricht für letztere Version. Wovon nicht nur ein kurzfristig einberufenes Treffen Trumps mit Israels Premier Benjamin Netanyahu am Sonntag zeugt.
Seit Trump seinen Wahlkampfmanager Paul Manafort, einen zwielichtigen, aber seit Jahrzehnten tief in der Republikanischen Partei verwurzelten Strippenzieher durch den stramm rechten Medienmanager Stephen Bannon und die Konsulentin Kellyanne Conway ersetzte, haben sich seine Auftritte merklich professionalisiert. Der Preis: der amerikanischen Presse, die zu Beginn seiner Kampagne nahezu ungehindert Zugang zum Kandidaten hatte, stellt sich Trump jetzt nur mehr in Umgebungen, die er von hinten bis vorne kontrollieren kann. Die Angst des Clinton-Camps, dass es Trump gelingen wird, auch Hempstead zu einem solchen Ort zu machen, an dem der 70-Jährige vor allem dank der Beißhemmung des Moderators ungehindert seine Lügen und Halbwahrheiten erzählen kann, scheint deshalb alles andere als unbegründet.
Mit welchen Methoden Conway, Bannon und eine Handvoll weiterer Trump-Berater arbeiten, sorgte am Wochenende für ein gewaltiges Rauschen im Blätterwald. Laut eigener Aussage soll etwa Gennifer Flowers der Debatte in der ersten Reihe beiwohnen. Flowers war vor dem Bekanntwerden des Falles Monica Lewinsky die prominenteste Affäre Bill Clintons, als der in den Siebziger- und Achtzigerjahren Gouverneur von Arkansas war. Offiziell stritten Trump und seine Sprecher ab, die mittlerweile 66-Jährige eingeladen zu haben. Nachdem es aber Trump höchstselbst war, der auf seinem Lieblingskommunikationsmedium Twitter als erster über das Kommen Flowers' spekulierte – als Reaktion auf Clintons Einladung für den Multimilliardär Mark Cuban, als Eigentümer des Basketballteams Dallas Mavericks einer der bekanntesten Trump-Gegner – gibt es kaum Zweifel daran, wer dafür am Ende verantwortlich zeichnet.