Effizient, transparent: Kgotla bindet alle Mitarbeiter in Entscheidungen ein.
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Wien. Einsame Entscheidungen der Unternehmensspitze müssen nicht sein: Mit der Kgotla-Methode können Unternehmen die Weisheit aller Mitarbeiter nutzen. Martijn de Liefde hat das Verfahren aus Botswana für Unternehmen adaptiert.
"Wiener Zeitung": Was kann das Dialog-Verfahren der Stammeskulturen aus Botswana für große Unternehmen tun?Martijn de Liefde: Sehr viel! Die Führungsebene großer Unternehmen kann durch Kgotla in einen Dialog mit den Mitarbeitern treten und so zu Entscheidungen kommen, die von allen mitgetragen werden. Bei einem Kgotla für Rio Tinto konnten alle 4000 Angestellten innerhalb von zehn Tagen angehört werden. Bereits am elften Tag wurden 35 kleinere Entscheidungen getroffen - langfristige Strategien wurden anschließend erarbeitet. Mit Kgotla werden bessere Entscheidungen getroffen, weil dabei auch Gefühle zur Sprache kommen, nicht nur die Rationalität. Das Verfahren ist in Botswana dazu da, zu beraten, zu richten und das gemeinsame Leben in einem Dorf zu regeln.
Wie läuft ein Kgotla-Verfahren genau ab?
Wir arbeiten zunächst mit den Entscheidungsträgern der Organisationseinheit, um die es geht. Wir bitten sie, den Traum zu formulieren, den sie für das Unternehmen haben. Es geht nicht um die Unternehmensziele, die sind ja meistens allen bekannt, sondern wirklich um die Träume und Wünsche für das Unternehmen. Diesen persönlichen Traum erzählen die CEOs und Manager zu Beginn eines Kgotla-Verfahrens ihren Mitarbeitern. Das ist sehr persönlich und stellt die Basis des Vertrauens her, damit die Mitarbeiter sich anschließend ehrlich äußern können. In den ersten Tagen können die Mitarbeiter alles sagen, was sie stört. Das Management muss zuhören - auch wenn manche Klagen vielleicht übertrieben sind. Die kollektive Klage und Beschwerde schafft Raum für die anschließende kreative Arbeit. In kleinen thematischen Gruppen erarbeiten Mitarbeiter, was sie abschaffen möchten oder erhalten wollen. Das ganze dauert etwa zehn Tage. Größere Entscheidungen und die Umsetzung brauchen etwa ein halbes Jahr. Das erarbeiten wir im Anschluss an den Kgotla-Dialog mit der Führung.
Steht am Ende von Kgotla ein Kompromiss?
Nein, denn es ist immer noch die Führungskraft, die die Entscheidungen trifft. Kgotla verändert die Hierarchien nicht. Anders als bei Debatten oder Diskussionen gibt es bei dem dialogischen Prinzip von Kgotla aber keine Verlierer oder Gewinner. Es geht nicht darum, sich durchzusetzen, sondern darum, Gefühle, Träume, Wünsche und Ideen zu teilen.
Mit welchen Anliegen kommen Unternehmen wie Rio Tinto oder das niederländische Rote Kreuz zu Ihnen?
Die meisten Unternehmen kommen dann, wenn bereits konkrete Probleme da sind oder eine neue Führungskraft in das Unternehmen kommt, oder Zusammenschlüsse anstehen. Bei Rio Tinto ging es unter anderem um die Sicherheitsbestimmungen.
Ist Kgotla effizient?
Ja, auch wenn es nicht so aussieht. Es ist eines der größten Hemmnisse für Veränderung, die Mitarbeiter nicht anzuhören. Kgotla funktioniert, wenn die Führungskräfte sich wirklich darauf einlassen, ihren Angestellten zuzuhören.
Zur PersonMartijn de Liefde
Der Unternehmensberater brachte das "Kgotla"-Verfahren vor zwölf Jahren aus Botswana mit. Am 26. April ist de Liefde beim EDIC-Kongress in Wien zu hören.
Weblinks:
www.diversityleadership.eu
www.kgotla.com