Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten markiert eine Konterrevolution des Internets.
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Erinnert sich noch jemand an den Arabischen Frühling? Was wurden damals nicht für Elogen auf das emanzipatorische Potenzial des Internets angestimmt! Von Facebook- oder Twitter-Revolutionen war die Rede. Die sozialen Netzwerke würden als Katalysator der Demokratisierung das Ende der Geschichte herbeiführen.
Bekanntlich kam alles anders. Der Arabische Frühling verwandelte sich in einen Arabischen Herbst, in Ägypten herrscht unter General Abdel Fattah Al-Sisi nach dem Interregnum der Muslimbrüder eine Nachrichtensperre und dieselbe bleierne Ordnung wie unter Diktator Hosni Mubarak, Libyen und Syrien sind in blutigen Bürgerkriegen versunken. Und auch das Narrativ sozialer Netzwerke ist ein anderes.
Facebook steht im Verdacht, den Ausgang der US-Wahl durch sogenannte Fake-News zugunsten von Donald Trump beeinflusst zu haben. Auf Twitter trommeln Social Bots für Donald Trump. Diese Meinungsroboter sorgten dafür, dass der Hashtag "#TrumpWon" zum Trending Topic in den USA auf Twitter avancierte und ein Gegennarrativ zur medialen Erzählung konstruiert wurde, laut der die Demokratin Hillary Clinton das Duell gewonnen habe. Vor allem bei der letzten TV-Debatte traten automatisierte Pro-Trump-Accounts als aggressive Agenda-Setter auf den Plan und feuerten siebenmal mehr relevante Hashtags ab als das Clinton-Lager.
Auch nach seinem Wahlsieg machte Trump auf Twitter kräftig Stimmung - der Kurznachrichtendienst ist das Sprachrohr des künftigen US-Präsidenten. Wenn Trump twittert, zittert nicht nur die Börse - der künftige US-Präsident ließ mit einem Tweet über die Kostenexplosion der "Air Force One" kurzzeitig den Aktienkurs von Boing einstürzen -, sondern auch seine politischen Gegner. Trump gelingt es, seine Partei mit einem Tweet auf Linie zu bringen. Er regiert von seinem Smartphone aus - ein einzigartiges Phänomen. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte einmal, zum Regieren brauche er nur "Bild, Bams und Glotze". Trump benötigt lediglich einen Twitter-Account und ein Smartphone. Teile und herrsche, so lautet die Maxime im postfaktischen Zeitalter.
Die Tatsache, dass soziale Netzwerke fünf Jahre nach dem Arabischen Frühling einen autoritären Politiker ins Weiße Haus befördert haben, markiert keine Zäsur, sondern eine historische Kontinuität. Jede Revolution produziert eine Gegenbewegung. Trumps Triumph ist die Konterrevolution auf das revolutionäre Internet, das Herrschaftsdiskurse zu unterminieren sucht, von dem man aber nicht zuletzt seit den Enthüllungen von Edward Snowden weiß, dass es neue zementiert.
Der Facebook-Investor und Wagniskapitalgeber Peter Thiel, der im US-Wahlkampf den Republikaner Trump unterstützte, brachte diese Illusion einmal auf den Punkt: "Wir wollten fliegende Autos, aber wir bekamen 140 Zeichen." Trump hat diese 140 Zeichen usurpiert. Der neue US-Präsident transformiert die Politik in eine simplifizierte Version von maschinenauslesbaren Wörtern und torpediert mit einer Bot-Armee den Diskurs.
Das hätten sich die Revolutionäre vom Tahrir-Platz sicher nicht vorstellen können.