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Allerorts spricht man von einem Generationswechsel in der Wiener Kommunalpolitik. Wer sind Wiens Bezirksvorsteher, woher kommen sie und wie jung sind sie wirklich? Ein soziodemografisches Zahlenspiel.
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Wien. Der 69-jährigen Ursula Stenzel folgt der 40-jährige Markus Figl. Euphorisch spricht die Volkspartei Anfang November von einem Generationswechsel in der Kommunalpolitik. Als im Frühjahr dieses Jahres in Mariahilf und Floridsdorf mit Markus Rumelhart und Georg Papai zwei neue junge Gesichter als Bezirksvorsteher angelobt werden, vernimmt man seitens der Sozialdemokraten ähnliche Töne. Doch wer sind Wiens Bezirksvorsteher, woher kommen sie und wie jung sind sie wirklich?
Zusammen sind sie 1289 Jahre alt. Im Schnitt 56, also nur fünf Jahre unter dem durchschnittlichen Pensionsantrittsalter in Österreich. Adolf Tiller ist das Urgestein unter den Wiener Bezirksvorstehern. Der mittlerweile 75-jährige, eingefleischte Vienna-Fan, erlebte drei sozialdemokratische Bürgermeister. Bereits 1978 gelang es ihm, die Mehrheit der Roten in Döbling zu brechen. Seither regiert er ohne Unterbrechung. Er gilt als einflussreicher Mann innerhalb der ÖVP und lässt es sich nicht nehmen, 2015 ein weiteres Mal anzutreten. Ihm folgt Karl Homole. Der Bezirksvorsteher Währings ist um nur zwei Jahre jünger, jedoch zwölf Jahre kürzer in Amt und Würden. Davor war er fast drei Jahrzehnte Einzelhandelskaufmann für die Familie Meinl. Gemeinsam mit den Vertretern von Döbling und Hietzing stemmte er sich vehement gegen die Einführung des Parkpickerls. Diese zwei Herren treiben den Altersschnitt der VP-Bezirkschefs - gemeinsam mit Frau Stenzel - gewaltig in die Höhe.
Veronika Mickel ist mit ihren 36 Jahren nicht einmal halb so alt wie Tiller. Sie gilt als liberales Pendant zur erzkonservativen Stenzel. Mickel ist seit nunmehr vier Jahren Chefin in der Josefstadt. Inhaltlich gibt sie sich gerne in der Nähe der Grünen. So setzt sie beispielsweise auf Ökostrom und Bürgerbeteiligung, bricht aber mit der Öko-Partei, wenn es um Verkehr und Parkplätze geht. Auch Silke Kobald ist erst 43 Jahre jung und somit im unteren Altersfeld der Bezirksvorsteher. Sie regiert seit 2013 das schwarze Hietzing. Der Bezirk ist traditionell zwischen ÖVP und SPÖ umkämpft. Den konservativen Villenvierteln stehen viele sozialdemokratisch gesinnte Gemeindebaubewohner gegenüber.
Lang gediente rote Parteisoldaten
Doch auch die Bezirkschefs der SPÖ erinnern eher an die Teilnehmer einer Heizdecken-Fahrt als an eine hochdynamische Politikertruppe mitten im Generationswechsel. Renate Angerer ist mit 66 Jahren die älteste unter ihnen, steht Simmering jedoch erst seit 2003 vor. Die gelernte Floristin begann vor 40 Jahren ihre Politikerlaufbahn im sozialdemokratischen FWV (Freien Wirtschaftsverband). Angerer ist allerdings am Freitag in Pension gegangen. Sie überlässt der deutlich jüngeren - mit 61 Jahren aber auch nicht mehr ganz jugendlichen - Eva-Maria Hatzl das Amt der Bezirksvorsteherin.
FPÖ ist gewaltigim Aufschwung
Erich Hohenberger belegt seit nunmehr 25 Jahren diese Funktion in Landstraße und ist somit dienstältester sozialdemokratischer Bezirksvorsteher. Als er im Jahr des Mauerfalls seinen Dienst antrat, war er 41 Jahre alt, zwei Jahre älter also als der jüngste rote Bezirkschef Johannes Rumelhart. Das benachbarte Wieden, Wiens vierter Hieb, ist das Reich des Leopold Plasch. Nach einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen löste der 66-jährige ehemalige Hauptschullehrer die VP-Vorsteherin Susanne Reichard 2010 ab.
Auch Hermine Mospointner hat ihren Sechziger bereits leicht überschritten. Sie ist das Oberhaupt eines von Wiens Problembezirken, Favoriten. Der einwohnerreichste Bezirk kratzt an der 200.000-Menschen-Marke. 2019 wird man sie erreichen. Die FPÖ ist gewaltig im Aufschwung, während die SPÖ kontinuierlich an Boden verliert. Die Arbeiterschaft droht im Bezirk der Fabriken in die Hände der Blauen zu fallen. Seit 1994 werkt und wirkt Mospointner hier schon als Vorsteherin. Zehn Jahre länger ist sie für die Stadt tätig, erst im Stadtgartenamt und später als Landtagsabgeordnete und Gemeinderätin.
Nach dem überraschenden Tod des unterdurchschnittlich jungen Donaustädter Bezirksvorstehers Norbert Scheed (52) Mitte Juli trat Ernst Nevrivy dessen Nachfolge an. Ein schweres Erbe. Der flächenmäßig größte Wiener Gemeindebezirk wächst rasant. Es warten Megaprojekte wie die Seestadt Aspern oder die Umgestaltung der Wagramer Straße. Mit seinen 46 Jahren zählt er nach Rumelhart (39) und Papai (41) zu den Jungspunden unter den SPÖ-Bezirkschefs.
2010 reduzierte sich der Machtbereich der Grünen - nach dem Verlust der Josefstadt - auf einen einzigen Bezirk, nämlich jenen in Neubau. Wie einer der unbeugsamen Gallier hört Thomas Blimlinger seit nunmehr 13 Jahren nicht auf, Widerstand zu leisten. Sein jugendliches Auftreten täuscht oft über sein Alter hinweg. Auch er hat schon 57 stattliche Jahre auf dem Buckel.
Geschlechterverteilung ausgeglichen
Von den insgesamt 23 Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorstehern sind zurzeit zehn weiblich. Drei der fünf schwarzen Bezirke werden von Frauen regiert. Dieses Verhältnis wird sich nach dem Abgang Stenzels wohl umkehren. Bei den Roten fällt es zehn zu sieben für die Männer aus. Vergleicht man den Frauenanteil aber mit jenem im Nationalrat, muss sich Wien keinesfalls verstecken. Dort tingelt die Frauenquote seit Jahren bei mageren 30 Prozent umher.
Bürgermeister Michael Häupl gibt sich gerne als gemütlich trinkfester Urwiener, kommt aber bekanntlich aus Niederösterreich. Die Bezirksvorsteher sind allerdings fast ausnahmslos gebürtige Wiener. Lediglich vier stammen aus den Bundesländern. Die ÖVP-Bezirksvorsteherin Silke Kobald zog aus dem steirischen Leoben nach Hietzing. Die restlichen drei Zugezogenen sind aus der SPÖ. Susanne Schäfer-Wiery (Margareten) ist Oberösterreicherin, Hermine Mospointner (Favoriten) Burgenländerin und Hannes Derfler (Brigittenau) kommt - wie sein Chef - aus Niederösterreich.
Warum manche Bezirksvorsteher selbst im hohen Alter noch so an ihrem Job hängen, lässt sich unter Umständen mit dem Gehalt erklären. Mit rund 10.000 Euro im Monat zählen sie zu den Spitzenverdienern des Landes im öffentlichen Bereich.