Mit zum Teil recht radikalen Ideen zur Reform der österreichischen Realverfassung wartet die Junge Industrie (JI) auf: Kommunale Selbstverwaltung und Bezirkshauptmannschaften sollen abgeschafft und an deren Stelle die verpflichtende Zusammenarbeit in Gemeindeverbänden treten.
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"Der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben beschränken", lautet das Credo von Martin Ohneberg, JI-Bundeschef sowie Dorotheum-Geschäftsführer, und Franz Semernegg, Finanzvorstand der Kapsch AG. Denn anders führe kein Weg heraus aus dem Teufelskreislauf von ständig steigender Schuldenlast und hoher Abgabenquote - es sei denn, man lebt bewusst auf Kosten der kommenden Generationen.
Um dieses Ziel zu erreichen, bedürfe es eines großen Wurfs, der auch nicht davor zurückschrecke, "teilweise die Äste abzusägen, auf denen man selber sitzt", appelliert Semernegg an die Politiker im Allgemeinen und jene im Österreich-Konvent im Besonderen.
Das Kernproblem sieht die JI darin, dass die administrativen und politischen Grenzziehungen auf Gemeinde-, Landes- und nationaler Ebene längst nicht mehr den realen Verflechtungen im sozialen und wirtschaftlichen Bereich entsprächen. Deshalb sollen beispielsweise die Gemeinden zur Zusammenarbeit in Verbänden gezwungen werden und nur mehr für Bürgerservice-Angelegenheiten selbst zuständig sein. Ein Gemeindeparlament im herkömmlichen Sinn wäre in diesem Fall überflüssig. Praktisch ist dies gleichbedeutend mit dem Aus für das verfassungsrechtlich verankerte Prinzip der Kommunalen Selbstverwaltung.
Auch für die Bezirkshauptmannschaften findet sich im JI-Konzept für einen neuen Verwaltungsaufbau der Republik kein Platz mehr. Deren Aufgaben sollen von den bereits angesprochenen Verwaltungs- und Managementverbänden der Gemeinden übernommen werden. Diese sollen in Abstimmung mit und unter Federführung der Länder vor dem Hintergrund eines ständig enger zusammenwachsenden Europas auch für die grenzübergreifenden Kooperationen zuständig sein - und so dem Schlagwort vom "Europa der Regionen" reale Verwaltungsgestalt verleihen.
Die Forderungen nach einer ersatzlosen Abschaffung des Bundesrates und einer Reduzierung der Zahl der Nationalratsabgeordneten erscheinen da fast schon gemäßigt. Ein so geschrumpfter Nationalrat soll dafür jedoch das nationale Monopol auf die Gesetzgebung besitzen - womit aus Sicht der JI auch bereits die Sinnfrage für die Landtage negativ beantwortet ist, sollen doch die Länder "von der Last der Gesetzgebung befreit werden". Stattdessen sollen deren Interessen verstärkt im Nationalrat repräsentiert werden.
Im Bereich der Daseinsvorsorge treten Ohneberg und Semernegg für eine Privatisierung bzw. Ausgliederung der Betriebe ein, die Infrastruktur von Wasserversorgung, Bahn, Strom u.ä. soll jedoch im Eigentum der öffentlichen Hand verbleiben. Monopole einfach in private Hände zu geben, lehnen beide ab.