"Frauenquoten und ganztägige, leistbare Kinderbetreuung auch am Land." | Teilzeitjobs - vom Hoffnungsfunken zum Sündenbock. | "Wiener Zeitung": Rückblickend betrachtet: Hätte die Wirtschaftskrise weniger dramatische Konturen angenommen, wenn mehr Frauen in Führungspositionen gewesen wären - hätten sie die Unternehmen nachhaltiger und weniger risikoreich geführt?
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Manuela Vollmann: Meine Erfahrung zeigt, dass Frauen nicht generell alles anders machen und einen anderen Führungsstil als Männer haben. Ich bin vielmehr der Ansicht: Wenn man die Vielfalt in Entscheidungspositionen fördert - Führungspositionen auch mit Frauen besetzt -, ist das Risiko zu scheitern geringer. Es geht um die Vielfalt der Perspektiven und des Wissens. Und es geht auch um die gerechte Repräsentation des Anteils von Frauen in Gesellschaft und Wirtschaft.
Funktioniert eine Gleichstellung auf freiwilliger Basis - oder muss es gesetzliche Rahmenbedingungen geben, sprich Frauenquoten in Unternehmen, Politik, an Unis?
Ja, ich bin letztendlich für die Quote. Es hat anscheinend bisher nicht gereicht, dass qualifizierte Frauen automatisch Chancen hatten, um in Führungsebenen aufzusteigen. Wir wissen aus Studien, dass der Frauenanteil mindestens 30 Prozent sein muss, damit sich etwas bewegt. Quotenregelungen sind sinnvoll und müssen Sanktionen beinhalten.
Für welche Unternehmensbereiche soll diese Frauenquote gelten - ausschließlich für den Aufsichtsrat wie etwa in Norwegen?
Sie sollte nicht nur für jene gelten, die die Aufsicht haben, sondern auch für diejenigen, die tagtäglich die Entscheidungen treffen, also auch für die Geschäftsführung, Vorstände usw.
Welche weiteren Maßnahmen sind für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erforderlich?
Ein Schlüsselfaktor ist die qualitative und quantitative Ausweitung der Kinderbetreuung, vor allem auch in den ländlichen Regionen. Die Vereinbarkeit von ist nur dann lebbar, wenn leistbare Kinder- und Jugendbetreuung im ausreichenden Maße von 0 bis 15 Jahren gegeben ist. Es braucht qualitätsvolle Nachmittagsangebote und Kinderbetreuer, die geschlechtssensibel agieren, um Rollenstereotypen frühzeitig entgegenzuwirken.
Das sind Initiativen der Politik, welche Aufgaben könnten Unternehmen übernehmen?
Die Hürden, zum Beispiel die gläserne Decke, sind in den Unternehmen massiv. Es gibt immer wieder sehr engagierte Unternehmen, die den Nutzen erkennen, Frauen zu fördern. Sie bieten etwa Betriebskindergärten an oder Weiterbildungs- und Karrierecoaching für Frauen, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Es braucht meiner Meinung nach auch starke Strukturen für Karenz- und Auszeitenmanagement in Unternehmen - nicht nur für die Phase der Kindererziehung, sondern verstärkt auch für die Pflege von betreuungsbedürftigen Menschen.
Frauen verdienen in Österreich rund ein Drittel weniger als Männer. Warum?
Ein Faktor ist, dass viele Frauen in Teilzeit arbeiten. Würden Frauen verstärkt vollzeitbeschäftigt sein, wäre die Gehaltsschere kleiner. Weiters hängen die Differenzen auch damit zusammen, dass Frauen vor allem in Berufssparten wie Soziales, Pflege und Versorgung arbeiten, die unterbezahlt sind. Diese Jobs gehören aufgewertet, vom Image und von der Bezahlung her. Zudem müssen Mädchen und Frauen vermehrt in nichttraditionellen Berufssparten tätig werden. Trotz dieser Faktoren: Es bleibt eine beachtliche Gehaltsschere bestehen, die auf den Faktor Geschlecht zurückzuführen ist.
Teilzeitarbeit scheint zunehmend negativ besetzt zu sein - man verdient nicht nur weniger, es hemmt auch die Karrieresprünge.
Genauso ist es. Es hat vor 15 Jahren überhaupt keine Teilzeitjobs gegeben. Mittlerweile zeigt sich: Teilzeit, so wie es umgesetzt worden ist, ist eine absolute Falle für Frauen geworden. Teilzeit ist weiblich und schlecht bezahlt.
Wie lässt sich das ändern?
Es fällt ja auch eine 30- oder 35-Stundenwoche unter Teilzeit und nicht nur eine 20-Stunden Woche. Teilzeit darf nicht nur von Frauen abverlangt werden, weil sie es sind, die die Kinder versorgen und den Haushalt führen. Es geht um die gerechte Verteilung von Hausarbeit und Kindererziehung. Es kann auch nicht sein, dass ich als Frau nie wieder in einen Vollzeitjob komme, wenn ich Teilzeit gearbeitet habe. Teilzeit muss qualitativ aufgewertet und auch in Führungspositionen möglich werden.
Schläft die Diskussion über Frauenförderung derzeit - wegen der Krise?
Der Diskurs über Fraueninteressen schläft nicht. Wenn es aber darum geht, etwas umzusetzen, ist mein Eindruck, dass sehr viel von der Linie der Parteispitze abhängt oder von anderen Prioritäten. Aber Gratiskindergärten und das einkommensabhängige Kindergeld, das ab 1. Jänner 2010 kommen soll, sind absolut richtige Schritte.
Welche Prioritäten?
Ich gehe davon aus, dass die Wirtschaftskrise noch massive Auswirkungen haben wird und dass die Politik erkennen muss, dass nachhaltig strukturelle Maßnahmen vorrangig auf lokaler und regionaler Ebene gesetzt werden müssen. Dort sind die Jobs der Zukunft - die dann auch Frauen, aber vor allem uns allen zugute kommen (etwa durch soziale Infrastruktur schaffung). Es geht um die Umverteilung und Neubewertung von Arbeit zwischen Frauen und Männern, zwischen Individuen und Strukturen.
Ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die erwerbstätige Frau in fünf Jahren?
Die Gefahr ist groß, dass Errungenschaften am Arbeitsmarkt und in Unternehmen zur Gleichstellung von Frauen und Männer unter die Räder kommen, aber ich denke, dass die weltweite Wirtschaftskrise massiv in Gesellschaftsstrukturen einwirken wird beziehungsweise auch die Chance birgt, dass Politik und Unternehmen neue Strategien und Wege gehen, die ohne Frauen nicht gangbar sind. Wachsamkeit und das Einmischen von Frauen ist angesagt.