Warum sind 2.000 Euro halbtags "schlechter" als 2.000 Euro in Vollzeit?
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Der Nationalratsabgeordnete Gerald Loacker, im Parlamentsklub der Neos Bereichssprecher für "Arbeit und Soziales" wie auch "Wirtschaft und Industrie" in Personalunion, agitiert wieder einmal als sozialpolitischer Scharmacher. Von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt - dafür aber von AMS-Chef Johannes Kopf auf Twitter überschwänglich gefeiert - hat er nämlich einen Entschließungsantrag im Nationalrat eingebracht, wonach bei der monatlichen Abgabenmeldungen durch Unternehmen auch die vereinbarte Wochenarbeitszeit ihrer Beschäftigten automatisch übermittelt werden solle.
Was auf den ersten Blick langweilig und nur für Statistiker interessant scheint, hat es aber in sich. Loacker fordert in der Begründung seines Antrags nämlich nichts anderes, als dass mit den so gewonnenen Daten "gezieltere steuerliche Maßnahmen" getroffen werden sollten. Als Beispiel nennt er etwa die Möglichkeit, steuerliche Absatzbeträge künftig nach der geleisteten Wochenarbeitszeit zu aliquotieren. Außerdem möchte der Neos-Sprecher die Sozialversicherungsbeiträge nach der Wochenarbeitszeit staffeln und nicht - wie bisher - nach dem Einkommen. Schließlich sollen nach Ansicht Loackers sowieso nur jene entlastet werden, die "tatsächlich trotz großer Anstrengung wenig verdienen, und nicht jene, die sich selbst für die Teilzeit entschieden haben".
Abgesehen davon, dass es sich selbst in Österreichs neoliberalen Kreisen herumgesprochen haben sollte, dass die Mehrzahl jener, die Teilzeit arbeiten, dies nicht aus freien Stücken tun, stellt sich die Grundsatzfrage, was für ein Weltbild Loacker damit eigentlich vertritt. Sollen nur jene, die tagein und tagaus brav ihre acht Stunden Arbeitsleistung abliefern, in den vollen Genuss staatlicher Zuwendungen und Leistungen kommen? Ist das Absitzen eines vollen Arbeitstages wichtiger als die tatsächlich erbrachte Leistung?
All das erinnert eher an den Lebensalltag in der ehemaligen DDR und klingt nicht unbedingt nach dem sozial- und wirtschaftspolitischen Zukunftskonzept einer wirtschaftsfreundlichen, auf Leistung setzenden Partei. Oder noch grundsätzlicher: Was soll an (von Loacker beispielhaft angeführten) 2.000 Euro, die bei Vollzeit verdient werden, "besser" sein als an 2.000 Euro, die man in 50-Prozent-Teilzeit verdient? Warum soll das eine steuerlich bessergestellt werden als das andere? Warum soll nur derjenige, der Vollzeit arbeitet, später in den Genuss der vollen Pension kommen, während jemand, der den gleichen Betrag in der halben Zeit verdient, weniger erhalten soll? Loackers Entschließungsantrag lässt einen ratlos zurück.
Vielleicht können ja die Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper, Fiona Fiedler, Douglas Hoyos und Michael Bernhard ein wenig Licht in die Angelegenheit bringen. Immerhin haben sie den Antrag mitunterschrieben und teilen damit offensichtlich die eigenwilligen Forderungen ihres Kollegen. Oder haben sie womöglich gar nicht wirklich gelesen, was für einen Unsinn sie hier mitfordern?