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Telefonzelle und Parklücke

Von David Axmann

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Fernsehkrimis haben mit der Wirklichkeit fast nichts gemein. Um das zu wissen, muss man weder mit einem Exekutivorgan verwandt, einem Drogendealer verschwägert oder gar selbst schon in Untersuchungshaft gesessen sein. Wer je einen echten Kripo-Beamten im Fernsehen erlebt hat, vermag in jedem TV-Kommissar nur mehr einen kriminalistischen Falschspieler zu sehen. Die Wirklichkeit ist eben anders.

Dieser offensichtliche Tatbestand wird aber leider ständig ignoriert. Fast alle Regisseure von Fernsehkrimis sind der Sucht verfallen, ihr Unterhaltungsprodukt so realistisch wie möglich auszustatten und zu inszenieren. Statt die ohnehin oft märchenhafte Handlung in irgendeinem undefinierten Gebiet anzusiedeln, wird sie in eine (an Wahrzeichen, Straßennamen, Autokennzeichen usw.) klar erkennbare Großstadt verlegt. Da Schauplätze wie Schauspieler originalgetreu wirken sollen, werden Szenen vor dem Polizeigebäude und im Landesgericht gedreht, Polizeibeamte tragen die landesüblichen Uniformen, fahren in landesüblichen Streifenwagen, die kleinen Verbrecher hausen in dreckigen Buden, die großen wohnen in standesgemäßen Villen - so geht es eine Zeit lang dahin.

Doch irgendwann machen die realitätssüchtigen Regisseure immer wieder die gleichen Fehler; Fehler, die akkurat nicht in das um Lebensechtheit bemühte Genrebild passen. Wieso etwa stehen (weil irgendjemand dringend anrufen muss) an den unmöglichsten Orten der Stadt plötzlich Telefonzellen? Wieso findet jeder, der sein Auto im Stadtzentrum parken will, sofort eine passende Lücke? Ich kann mir's nur so erklären: Wahrscheinlich verlieren die Regisseure, gleich den Zuschauern, im Lauf des Spielfilms die Lust an den authentischen Abbildern der kriminalistischen Wirklichkeit.