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Telekom-Allianz besiegelt

Von Karl Leban

Wirtschaft

Chaos bei ÖIAG-Aufsichtsratssitzung zum geplanten Syndikatsvertrag mit mexikanischer América Móvil.


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Wien. Die Allianz ist geschmiedet: Bei der Telekom Austria geben in Zukunft die beiden größten Aktionäre, die staatliche Industrieholding ÖIAG und der mexikanische Mobilfunk-Gigant América Móvil gemeinsam den Ton an. Am Mittwoch haben beide Seiten ihre seit Wochen verhandelte Partnerschaft besiegelt – in Form eines Syndikatsvertrages, in dem ähnlich wie bei einer Ehe "Spielregeln" festgelegt sind.

Dem vorausgegangen sind dramatische Stunden bei der ÖIAG-Aufsichtsratssitzung, die den ganzen Tag dauerte. Schon einige Tage vor der Sitzung hatte sich Ex-Siemens-Managerin Brigitte Ederer gegen den Syndikatsvertrag ausgesprochen und entschuldigen lassen. Wie zuvor angekündigt, blieben alle fünf Arbeitnehmervertreter der Sitzung fern. Der Direktor der Arbeiterkammer Wien, Werner Muhm – ein enger Berater Kanzler Werner Faymanns –, bekräftigte seine Kritik an dem Pakt der ÖIAG mit der mexikanischen Firma in einer Aussendung: "Ein Syndikatsvertrag zwischen der ÖIAG und dem Telekomkonzern von Carlos Slim würde für die Telekom Austria und damit für Österreich nur Nachteile bringen." Laut ÖIAG-Gesetz muss die Hälfte der Aufsichtsräte für eine Beschlussfähigkeit anwesend sein – da ein Mitglied im Vorjahr verstorben ist und neben Ederer und den fünf Arbeitnehmervertretern auch Aufsichtsratschef Peter Mitterbauer (Miba) und Ex-Lenzing-Finanzvorstand Thomas Winkler fehlten, waren am Nachmittag nur sechs von 15 Aufsichtsräten anwesend. Wegen des Todesfalls reichten sieben Mitglieder für einen Beschluss – schließlich wurde Mitterbauer noch spätabends aus dem Ausland eingeflogen.

Es war dies auf absehbare Zeit die letzte Möglichkeit innerhalb eines Jahres für einen Syndikatsvertrag mit América Móvil, da um Mitternacht eine Frist abgelaufen ist, die den Mexikaner nun für ein Jahr für die Telekom gesperrt gewesen. Das Chaos wirkte sich auch auf die Wiener Börse aus: Mit dem Kurs der Telekom-Aktie ging es am Mittwoch deutlich nach unten. Der im Leitindex gelistete Titel verlor um 3,2 Prozent auf 6,651 Euro.

Mit gut 55 Prozent halten die ÖIAG und América Móvil zusammen nun die Mehrheit an der Telekom, die am Markt einen Wert von knapp drei Milliarden Euro auf die Waage bringt. Da es sich dabei nach österreichischem Übernahmerecht um einen Kontrollwechsel handelt, müssen sie dem Streubesitz, auf den rund 45 Prozent der Anteile entfallen, ein Pflichtangebot legen. Das gesetzliche Minimum für den Preis ist der durchschnittliche Börsenkurs der letzten sechs Monate. Im Fall der Telekom wären das ungefähr 6,50 Euro je Aktie.

Marktbeobachter wie der Anlegerschützer Wilhelm Rasinger gehen davon aus, dass im Zuge des Pflichtofferts nur das "Minimum" geboten werde. Daher dürfte vom Streubesitz lediglich ein geringer Teil an Aktien angedient werden. Und damit werde sich an den jeweiligen Anteilen von ÖIAG und América Móvil zunächst nicht allzu viel ändern.

Derzeit ist die ÖIAG mit 28,4 Prozent noch größter Telekom-Aktionär. Doch dabei wird es nicht bleiben. Denn dem mexikanischen Multi-Milliardär Carlos Slim, der aktuell mit 26,8 Prozent beteiligt ist, wird Appetit auf mehr nachgesagt.

Milliarden-Kapitalerhöhung

Slim, einer der reichsten Männer der Welt, will auf mehr als 30 Prozent aufstocken, um die industrielle Führerschaft bei der Telekom darstellen und diese in der América-Móvil-Gruppe konsolidieren zu können, wie es ÖIAG-Chef Rudolf Kemler erst unlängst formuliert hatte. Unabhängig vom Pflichtangebot ist dabei mit Blick auf die hohen Schulden der Telekom auch eine im Syndikatsvertrag vereinbarte Kapitalerhöhung von einer Milliarde Euro vorgesehen – für wann, blieb vorerst unklar.

Ebenso unklar ist auch, in welchem Ausmaß sich die ÖIAG bei dieser Kapitalzufuhr beteiligt. Sie müsste sich jedenfalls verschulden. Zieht die Staatsholding nicht voll mit, würden sich ihre Anteile verwässern. Von Seiten der Regierung hat sie jedoch den Auftrag, keinesfalls unter die Sperrminorität von 25 Prozent und einer Aktie zu fallen.

Sollte América Móvil also weiter aufstocken, sollen diese Sperrminorität und der Syndikatsvertrag sicherstellen, dass bei der Telekom österreichische Interessen in Bezug auf Standort, Zentrale sowie Forschung und Entwicklung auch künftig gewahrt bleiben. Im Syndikatsvertrag ist auch die Absicherung von Investitionen – unter anderem in Osteuropa, wo die Telekom stark engagiert ist – festgeschrieben.

Für die Konzernzentrale in Wien gibt es zumindest eine zehnjährige Garantie, dass sie von den Mexikanern nicht abgezogen werden darf. Arbeitsplatzgarantien gibt es im Syndikatsvertrag indes keine. Dies war auch der Hauptgrund, warum die fünf Arbeitnehmervertreter im ÖIAG-Aufsichtsrat der Sitzung am Mittwoch fernblieben. Die Belegschaftsvertreter kritisierten auch, dass der Vertrag der ÖIAG und Slim nicht die gleichen Rechte einräume. "Es gibt keine Partnerschaft auf Augenhöhe. Mit diesem Syndikatsvertrag verliert die ÖIAG die industrielle Führerschaft", sagte eine der Personen.

Für die Mexikaner bedeutet das Bündnis mit der ÖIAG, dass sie ihren Einfluss auf die Telekom vergrößern und sich mit einem weiteren Expansionsschritt in Europa unabhängiger von ihrem lateinamerikanischen Heimatmarkt machen. In Mexiko hatte América Móvil (160.000 Mitarbeiter) zuletzt zwei Drittel des operativen Gewinns erwirtschaftet.

Slim ist vor knapp zwei Jahren bei der Telekom Austria eingestiegen, sein "Steigbügelhalter" war der österreichische Investor Ronny Pecik. Außerdem ist der Milliardär in Europa auch am niederländischen Telekom-Konzern KPN beteiligt. Ein Übernahmeversuch scheiterte jedoch am Widerstand der Niederländer.

Chronologie1887: Die Zuständigkeiten für das Telefon werden in die K.K Post- und Telegrafenverwaltung eingegliedert.
1996: Im Zuge der Postreform wird aus der Post- und Telegrafenverwaltung die Post- und Telekom Austria AG, die zu 100 Prozent in Bundesbesitz bleibt. Die beiden operativen Töchter Mobilkom Austria AG und Datakom Austria AG werden eingerichtet.
1997: Die Post- und Telekom Austria AG verkauft im April 25,001 Prozent des Aktienkapitals der Mobilkom an die Telecom Italia.

1998: Der Telekommarkt in Österreich wird vollständig liberalisiert. Post, Telekom und Bus werden getrennt. Der Telekombereich wird in der Telekom Austria AG (TA) verselbständigt. Telekom Italia erwirbt 25,001 Prozent an der Telekom Austria AG.
2000: Am 21. November notieren erstmals TA-Aktien an der Wiener Börse und an der New York Stock Exchange, es ist der bisher größte Börsengang Österreichs. Der Erlös wird zum Schuldenabbau bei der Staatsholding ÖIAG verwendet. Die ÖIAG hält 44,4 Prozent des Aktienanteils, die Telekom Italia 29,8 Prozent und 25,8 Prozent befinden sich im Streubesitz.

2002: Die TA kauft 25-Prozent-Anteil der Telecom Italia an der Mobilkom zurück. Die Telecom Italia verkauft TA-Aktien, womit der Anteil der Aktien im Streubesitz auf 38 Prozent steigt.

2004: Telecom Italia steigt bei der TA aus, auch die ÖIAG veräußert Aktien. Der
Streubesitz erhöht sich damit auf 69,8 Prozent.

2007: Mit 17. Mai zieht die Telekom Austria ihre Notierung an der New Yorker Börse zurück.

2010: Mobilfunk- und Festnetzgeschäft werden zur A1 Telekom Austria AG zusammengeführt.

2011: Der Wiener Geschäftsmann Ronny Pecik und sein ägyptischer Financier Naguib Sawiris kaufen sich schrittweise bei der Telekom ein und halten gut 15 Prozent.

19. Jänner 2012: Pecik hält nun direkt und indirekt 20,118 Prozent. Sawiris droht mit Verkauf der Telekom-Anteile an den mexikanischen Milliardär Carlos Slim: "Wenn die Regierung uns nicht erlaubt, das Unternehmen so zu führen, wie wir das wollen, dann wird es für uns unattraktiv."

15. Juni 2012: Slim gibt bekannt, den Kauf von 21 Prozent an der Telekom mit Pecik vereinbart zu haben.

16. Jänner 2014: Carlos Slim legt seine Anteile zusammen und macht damit seine Sperrminorität an der Telekom Austria offiziell. America Movil kontrolliert 26,8 Prozent der Telekom-Aktien, davon knapp mehr als 25 Prozent über die niederländische Tochter Carso Telekom. Bisher waren gut drei Prozent in Familienstiftungen geparkt.

26. März 2014: Der Aufsichtsrat der ÖIAG gibt dem Vorstand "grünes Licht" für Endverhandlung eines Syndikatsvertrages mit dem zweiten Großaktionär America Movil.Dieser wird am 23.4. unterzeichnet.