)
Nemsic: "Vimpelcom wird die Telekom Austria nicht kaufen." | Kritik an EU- Regulierungen: "Nur große Konzerne behalten ihr Geld." | Beamtenagentur "vertane Chance". | "Wiener Zeitung":Herr Nemsic, sprechen Sie Russisch?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Boris Nemsic: Nein. Ich kann kyrillisch lesen und verstehe ziemlich viel, aber sprechen kann ich es noch nicht. Aber da ich keine Hemmungen habe, Sprachen auch schlecht zu sprechen, werde ich das bald auch in Russisch tun.
Ihr Abgang kam für nahezu alle wie aus heiterem Himmel. Was motivierte Sie zu Ihrem überraschenden Wechsel? Wann haben Sie den Aufsichtsratspräsidenten der Telekom, ÖIAG-Chef Peter Michaelis, informiert?
Ich habe Herrn Michaelis persönlich informiert, kurz bevor wir es bekannt gemacht haben am ersten Börsetag. Als überraschend würde ich meinen Wechsel aber nicht bezeichnen. In einer Karriere hat man immer wieder da und dort eine Möglichkeit, eine Einladung, und das war von Vimpelcom inzwischen die dritte. Dieses Mal habe ich das Gefühl gehabt, dass es ein exzellentes Angebot ist, sowohl was die Rahmenbedingungen betrifft als auch die Aufgabe.
Ich hatte auch das Gefühl, dass es bei der Telekom Austria 2008 unglaublich spannend war. Die Mobilkom hatte das beste Jahr der Geschichte und im Festnetz haben wir erstmals in zwölf Jahren wieder Kunden dazu gewonnen. Wir mussten auch unpopuläre Entscheidungen treffen, die aber notwendig waren. Und wenn man das alles so sieht, sind das alles abgehakte Kästchen: Job done, Job done, Job done. Und das ist ein gutes Gefühl.
Konkret: Sie haben alles erledigt, was zu erledigen war.
Es gibt immer etwas zu tun. Aber das, was man sich vorgenommen hat, hat man erledigt, es ist nichts offen geblieben. Dann ist man empfänglich für ein Angebot. Es wäre zudem blöd, ein drittes Mal nein zu sagen.
Warum hat Sie Herr Michaelis dieses Mal gehen lassen?
Er hat natürlich von seiner Seite alles mögliche getan, um mich zu halten. Aber er hat auch gesehen, dass ich entschlossen war und dann waren wir uns sehr schnell einig.
Vimpelcom gilt als eines der best zahlenden Telekom-Unternehmen. Wie viel hat man Ihnen geboten? Branchen-Insider gehen davon aus, dass es sensationell viel ist.
Das ist nicht ausschlaggebend aber definitiv einer der angenehmen Aspekte, allerdings sind die kolportierten Summen grundfalsch.
Was ist richtig?
Ich verdiene etwas mehr als in Österreich allerdings mit nur 13 Prozent Steuern.
Warum wollte Vimpelcom Sie unbedingt haben? Etwa weil Sie sich im osteuropäischen Markt gut auskennen?
Das müssen Sie Vimpelcom fragen, aber wahrscheinlich passe ich gut hinen. Die Mobilkom Austria und Vimpelcom sind sich sehr ähnlich - natürlich ist Letztere viel größer. Und zu Osteuropa: Es ist halt immer die Frage, wo Osteuropa beginnt und endet. Vimpelcom ist in der Ukraine, in einigen GUS-Staaten und hat jetzt zwei Startups in Vietnam und Kambodscha. Ich fühle mich wohl mit Startups.
Sie sagten, Vimpelcom will in Asien expandieren. Was genau dürfen wir uns darunter vorstellen?
Ich möchte nicht über die Vimpelcom-Strategie sprechen. Vimpelcom hat zwei GSM-Lizenzen in Vietnam und Kambodscha gewonnen und das Netz wird aufgebaut - deswegen Asien.
Wie sehr wird Ihr Knowhow im Vorbereiten von Übernahmen gebraucht?
Jemand hat in die Welt gesetzt, Vimpelcom will die Telekom Austria übernehmen - was völlig absurd ist.
Können Sie ausschließen, dass Vimpelcom die Telekom Austria, deren Osteuropa-Töchter oder die Mobilkom übernehmen wird?
Nach dem heutigen Stand der Dinge weiß ich, dass das kein Thema ist. Vimpelcom hat im Vorjahr bereits die Golden Telecom gekauft, ein riesiger ukrainischer Festnetzbetreiber, und muss den noch verdauen. Das heißt die Geschichte mit der Telekom Austria ist absurd.
Sie waren früher überzeugt, dass es für die TA gut wäre, einen Partner zu haben, um sich gegen multinationale Konzerne, etwa die France Telecom, durchzusetzen. Wen schlagen Sie denn vor?
Im momentanen wirtschaftlichen Umfeld wird es zu keinen Fusionen kommen. Wir müssen andere Dinge erledigen. Gegen die France Telecoms dieser Welt können wir außerdem auch so erfolgreich kämpfen.
Die Telekom Austria kann perfekt im Stand Alone existieren - so wie sie ist, noch 100 Jahre lang. Vorausgesetzt, die heutigen Bedingungen bleiben. Aber wenn die Frau Reding (Viviane, EU-Telekom-Kommissarin, Anm.) eine Rakete nach der anderen abschießt, wird es irgend wann ungemütlich. Denn von der Regulierung von Roaming-Gebühren für Auslandsanrufe und vom Senken von Terminierungsentgelten zwischen den Betreibern im jeweiligen Land profitieren nur die Großen und die Kleinen bekommen kein Geld mehr. Den transnationalen Riesen-Konzernen ist das egal. Die machen Linke-Tasche-Rechte-Tasche und behalten ihr Geld.
Es gibt zwar keinen Staatsanteil an der Vimpelcom, aber einen eingefleischten Eigentümerstreit. Der Mehrheitseigentümer Alfa Group streitet mit der norwegischen Telenor um den Erwerb eines ukrainischen Mobilfunkers. Laufen Sie Gefahr, zwischen Ihren Arbeitgebern zerrieben zu werden?
Es ist normal, dass in bestimmten Fällen die Shareholder einen Rechtsstreit haben. Im Aufsichtsrat der Vimpelcom sind in den letzten Jahren aber alle Entscheidungen einstimmig gefallen. Der Eigentümerstreit ist auf einer ganz anderen Ebene. Wenn es um den Konzern Vimpelcom geht, streiten sie nicht.
Im Herbst vermeldete Vimpelcom Verluste, einen schlechten Cash-Flow und nach der Übernahme der Golden Telecom 8 Mrd. Dollar Schulden. Wie wollen Sie die Fehler Ihres Vorgängers, Alexander Izosimov, ausmerzen?
Das ist kein Fehler meines Vorgängers, der zu den Top-Managern der Welt gehört. Natürlich, 8 Milliarden Dollar klingen viel, aber das ist weniger als das doppelte Ebitda und operativ nicht problematisch.
A propos Vorgänger und Fehler. Wenn Sie auf Ihre zehn Jahre bei der Telekom zurückblicken welche Fehler haben Sie gemacht?
Jeder Mensch macht Fehler. Ich habe sicher welche gemacht aber ich glaube dass wir im Großen und Ganzen keine Fehler bei der Strategie gemacht haben.
Welche Ratschläge geben Sie Ihrem Freund und Nachfolger Hannes Ametsreiter?
Er braucht keine. Wir haben die bisherige Strategie gemeinsam entschieden. Er weiß am besten, wie er damit in Zukunft umgeht. Als Freund stehe ich ihm natürlich immer zur Seite.
Als Sie die Telekom-Holding übernahmen und Mobilkom-Chef blieben, gab es Kritik, dass die Arbeit zuviel für eine Person sei. Ihr Nachfolger muss jetzt gleich für drei Bereiche tätig sein, Holding, Mobilfunk und Festnetz. Ist das an einem Tag mit 24 Stunden möglich?
Ich habe die dreier-Belastung auch ein halbes Jahr lang gehabt. Es ist viel Arbeit, aber es ist machbar. Hannes ist nicht alleine, er hat 20 Managerkollegen.
Die alle in die Vorstandsebene einziehen könnten?
Die gemeinsame Strategie ist allen klar und Hannes ist der Letztentscheider.
Sie sind mit Ihrer Forderung, Festnetz-Beamte an eine "Beamtenagentur" abzugeben, abgeblitzt. Welche Rolle spielte dieser Faktor in Ihrer Entscheidung, zu wechseln?
Keine. Ich bin da härter im Nehmen. Außerdem haben wir die Beamten-Frage schon seit Jahren nicht gelöst, weder im Zuge der Liberalisierung noch als wir an die Börse gingen noch jetzt. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Beamte - diese Menschen können nichts dafür. Aber es bleibt die Frage, wie man es einer Firma ermöglicht, diesen Punkt in einem kompetetiven Umfeld zu managen. Der Sinn wäre gewesen, dass für man Menschen, die arbeitswillig sind, aber die bei uns keine Arbeit haben, einen Rechtsrahmen schafft, wo sie unter Wahrung ihrer alten Rechte arbeiten können. Dass dann plötzlich Neuwahlen gekommen sind und die alte Regierung gestritten hat - na, das war halt Pech.
Die Politik hat also eine Chance vertan?
Auf jeden Fall.
Wie gut haben Sie mit der Personalvertretung zusammengearbeitet?
Die Mobilkom wächst und das gibt einen andere Fokus. Ich habe eines der größten Komplimente bekommen vom Betriebsrat der Mobilkom, der mir für die Arbeit gedankt hat. Bei der Telekom ist die Personalvertretung in einer anderen Situation. Sie vertritt die Beamten, für diese waren die Zeiten nicht rosig.
Sie sind noch bis Ende März Holding-Chef, aber bereits zum Pendler geworden. Wie tun Sie den ganzen Tag?
Also, erstens ist der Hannes derzeit auf Urlaub. Zweitens bin ich Generaldirektor der Firma und mache einen ganz normalen Job. Kommende Woche steht etwa noch der Abschluss der Mitarbeitergespräche an.
Und was erwartet Sie in Russland - neben Startups?
Die Integration von Golden Telecom und Vimpelcom. Sie sehen: Ich werde das Festnetz nicht los.
Wie lange ist Ihr Vertrag?
Bis zu drei Jahre.
Kommen Sie dann wieder nach Österreich?
Natürlich. Ich bin hier zu Hause.
Zur Person
Boris Nemsic wurde 1957 in Sarajewo geboren. 1980 schloss er sein Studium an der Technischen Universität Sarajevo ab und 1990 sein Doktorat an der Technischen Universität Wien. 1990 bis 1997 leitete er die Abteilung Mobile Kommunikationsentwicklung von Ascom in Wien. 1997 wurde er Bereichsleiter der Netzplanung der Mobilkom Austria und 1998 Generaldirektor der kroatischen Mobilkom-Tochter Vipnet. 2000 wechselte Nemsic als Generaldirektor wieder zur Mobilkom nach Wien. Im Mai 2006 wurde er CEO der Telekom Austria Group und CEO der Mobilkom. Ab 1. April ist Boris Nemsic Chef von Vimpelcom, dem zweitgrößten russischen Mobilfunkanbieter.