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"Temelin hat sich für uns gelohnt"

Von Veronika Gasser, Prag

Europaarchiv

Das heftig umstrittene tschechische Atomkraftwerk (AKW) Temelin ist mittlerweile am Netz und liefert Strom. Die Langzeitinvestition habe sich auf alle Fälle gelohnt und die Kosten könnten durch Stromverkäufe eingebracht werden. Davon ist der Eigentümer des Atommeilers CEZ, der größte tschechische Stromerzeuger, überzeugt. Die "Wiener Zeitung" hat CEZ-Vorstand Jaroslav Mil zur Problematik des wettbewerbswidrigen österreichischen Atomstromimportverbotes und der bevorstehenden Aufhebung durch die EU befragt.


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Das Verbot von Stromimporten aus Ostländern wurde in Österreich eingeführt, um die Sorgen der Bevölkerung vor Stromlieferungen aus dem "Feindbild" Temelin zu beseitigen. Das AKW wurde bei uns zum Synonym für "gefährliche Energieerzeugung." Jaroslav Mil kann die Aufregung nicht verstehen - und jetzt, da die Beitrittsverhandlungen für Tschechien erfolgreich gelaufen sind, ist auch kein österreichischer Querschuss mehr zu befürchten. Doch mittlerweile sind es nicht mehr die Österreicher, die Forderungen an den nord-östlichen Nachbarn stellen, sondern es sind die Tschechen, die sich mit mancher heimischer Regelung nicht abfinden wollen. Eine davon ist das Stromimportverbot, das unter anderem Strom aus Tschechien nicht in die Alpenrepublik lässt. "Österreich sollte das Gesetz sobald wie möglich ändern, denn wenn unsere Länder in Zukunft kooperieren wollen, sind solche Barrieren keine freundliche Geste." Deutliche Worte findet Jaroslav Mil und kann sich in seiner Kritik auch auf die Unterstützung der EU-Kommission verlassen. "Die EU hat Österreich aufgefordert, Schritte zur Beseitigung der Barriere einzuleiten." Die CEZ importiert ihren Strom bereits nach Deutschland, auch Österreich wäre ein interessanter Markt. Dass dieses Verbot gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, liegt für Mil auf der Hand. "Man kann nicht von anderen eine Öffnung verlangen, selbst aber den Heimmarkt abschotten." Auch verstoße das Importverbot gegen die Handelsregeln der Welthandelsorganisation. Damit sind die Chancen gut, dass die EU weiterhin Druck auf Österreich macht, sollte es seine atomstromfeindliche Haltung nicht aufgeben.

Mil jedenfalls sieht in Strom aus Atomkraftwerken eine zukunftsträchtige Energie. "Wir haben jedoch Angst, dass diese schadstofffreie Erzeugungsart vom Kyoto-Protokoll zur Verbesserung der CO2-Bilanz nicht anerkannt wird. Damit sind wir sehr unzufrieden." Er hofft in dieser Frage auf Unterstützung durch die tschechische Regierung.

Einen Ersatz der Kernenergie durch Erneuerbare hält Mil für ein "absurdes Anliegen". Kein Privater werde in diese teure Engergiegewinnung investieren. Auch bezüglich der Liberalisierung der Energiemärkte sind die Erweiterungsländer über die bestehende Situation nicht sehr glücklich. Denn sie seien im Zuge der Verhandlungen dazu genötigt worden, ihre Märkte zu öffnen, während innerhalb der EU-15 von Liberalisierung zwar geredet wird, die Umsetzung jedoch gerade in den großen Ländern Frankreich und Deutschland zu wünschen übrig lasse, so Mil. Beide Länder täten eben das Beste für ihre Unternehmen, damit diese im Osten kräftig auf Einkaufstour gehen könnten - etwas, dass mittlerweile auch die CEZ kräftig betreibe. "Die Pusher haben noch nicht einmal dieselben Standards wie mancher Kandidat. Wir haben alle Anforderungen brav erfüllt, und Deutschland hat immer noch keinen Regulator."

In Tschechien sei das vielgepriesene "Unbundling" - die Trennung von Erzeugung und Transport - erst vor drei Monaten umgesetzt worden. Die CEZ hat damals ihre Netze an den Staat verkauft. In Deutschland gehören die Stromleitungen immer noch den Energieerzeugern, dies mache Stromimporte schwierig. "Die CEZ braucht jedesmal eine Extragenehmigung von E.ON oder RWE. Doch das bedeutet, Wasser predigen und Wein trinken" Von fairen Marktbedingungen für alle sei man in Europa jedenfalls weit entfernt.

Ferrero: Nicht mehr drin

Außenministerin Benita Ferrero-Waldner gibt der Temelin-Nullvariante keine Chance, technische Nachbesserungen hält sie für möglich. "Mehr ist leider nicht drin." Allein wenn Tschechien seine Einstellung zur Atomkraft ändere, hätten Österreichische Umweltschützer wieder einen Hebel.