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Tempo-Limit abschaffen

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Europäische Wirtschaftsforscher warnen vor einer Rückkehr der Rezession, also einem Schrumpfen der Wirtschaft. Sie beklagen den Rückgang öffentlicher Investitionen in Europa. In Deutschland und Österreich haben sie sich in den vergangenen 20 Jahren gedrittelt. In Deutschland ist die Infrastruktur mittlerweile so marod, dass sie Expansionspläne von Unternehmen gefährdet, weil manche Brücken notwendige Lasten nicht mehr tragen. Vier Milliarden Euro jährlich müsste Deutschland investieren, konstatieren dort Industrie und Gewerkschaften in seltener Einmütigkeit.

Der Rückgang öffentlicher Investitionen, auch in Österreich, ist zu einem Job-Killer geworden. Denn Steuerausgaben in Form von Investitionen werden in die Defizit-Berechnung eingerechnet. Um die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren, wird in Europa überall gespart - auch bei Investitionen. Gleichzeitig wird in der EU die hohe Arbeitslosigkeit beklagt. Das ist in etwa so, wie sich zu beschweren, dass die Wohnung kalt ist, aber sich zu weigern, die Heizung aufzudrehen.

Das Argument, es fehle halt an Geld, wird gerne und oft benützt, wird deswegen aber nicht richtiger. In Österreich ist ein Finanzausgleich bis 2016 festgezurrt, der dreistellige Milliardenbeträge zwischen Bund, Ländern und Gemeinden herumschaufelt und viel Geld in die falschen Kanäle leitet. Das Geld könnte für Investitionen verwendet werden, auch in Bildungseinrichtungen, Forschung und Datennetze.

Auf europäischer Ebene schaut es nicht anders aus. Viele Großkonzerne aus aller Herren Länder machen in der kaufkräftigen EU gute Geschäfte, bezahlen dafür aber keine Steuern. Jede Wald-und-Wiesen-GmbH muss 25 Prozent Körperschaftssteuer abliefern, Google, Amazon, Starbucks, Apple und viele andere tun das nicht.

Eine europaweite einheitlichere Unternehmensbesteuerung würde viel Geld bringen, das der EU-Kommission als eigenes Investitionsbudget zur Verfügung stehen könnte.

Wenn also Europa global eine Chance haben möchte, muss es das Tempo erhöhen. Althergebrachte Strukturen und Verhaltensweisen sind es, die den Kontinent behindern. Weiterhin tatenlos zuzuschauen, würde Europa tatsächlich in eine existenzielle Krise führen. Die Austeritätspolitik Europas ist gescheitert, das stimmt sicher. Das gilt in gleichem Maß auch für die antiquierten Strukturen Europas.