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Tempojagd auf zwei Rädern

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Die Abfahrer unter den Bikern: Mit speziellen Fahrrädern lassen sich Downhill-Strecken - wie hier in Saalbach-Hinterglemm - bewältigen.
© Saalbach Hinterglemm/Yorick Carroux

Mit Gondel hinauf, mit Rad hinunter: Downhill-Biker sollen Auslastung von Seilbahnen im Sommer steigern.


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Wien. Vor der ersten Bergfahrt hat sich eine Schlange an Sportlern in der Gondel-Talstation gebildet. Doch sie sind nicht mit Skiern oder Snowboards ausgerüstet, sondern mit Downhill-Bikes. Und sie wollen nicht ihre Schwünge auf der Skipiste ziehen, sondern einen Trail hinunterfahren. Downhillbiker - die eigens gebaute Strecken über Stock und Stein und mit eingebauten Sprüngen hinunterrasen - sind für Regionen wie Saalbach-Hinterglemm, Leogang und Schladming-Dachstein zu wichtigen Sommer-Gästen geworden. Sie treten nicht wie Mountainbiker den Anstieg bis zum Gipfelkreuz hoch - für Downhillbiker zählt der Nervenkitzel beim Bergabfahren. Für den Aufstieg wählen sie lieber die Gondel - wovon Seilbahnen profitieren.

"Biken erlebt seit einigen Jahren einen Boom. Der Sommer ist ein wichtiges zweites Standbein für die Seilbahnen geworden", sagt Ricarda Rubik, Leiterin des Marketing Forums des Seilbahnen-Fachverbandes in der Wirtschaftskammer Österreich. Binnen eines Jahrzehnts habe sich die Anzahl der Sommer-Gäste auf zwölf Millionen und der Sommer-Umsatz der österreichischen Seilbahnen auf 112,5 Millionen Euro verdoppelt. 205 der 254 österreichischen Seilbahnunternehmen sind im Sommer in Betrieb, was zusätzliche Arbeitsplätze im Sommer schafft. Dennoch erwirtschaften die Bergbahnen nur zehn Prozent ihres Gesamtumsatzes zwischen Mai und Oktober.

Bike-Wash und umgebaute Gondeln

In Saalbach-Hinterglemm entfallen bereits 40 Prozent der Nächtigungen im gesamten Jahr auf die Sommersaison (rund 600.000), die Wintersaison bringt 1,5 Millionen Übernachtungen. Mit Hunderten Kilometern an Radrouten und Trails gelten Saalbach-Hinterglemm sowie das nahegelegene Leogang als Bike-Eldorado.

Der Bikepark in Leogang wurde bereits 2001 - als erste Anlage dieser Art in Österreich - gebaut. Neben Profis finden auch Einsteiger und Fortgeschrittene geeignete Strecken. Mehr als 60 Prozent der Fahrgäste der Asitz-Kabinenbahn in Leogang im Sommer des Vorjahres waren Biker, sagt Daniela Neumayer vom Tourismusverband Saalfelden Leogang.

Seit 2002 gibt es den Bikepark Planai mit vier Streckenabschnitten für jede Könnerstufe, nun auch mit Dirt-Park mit Sprung im Zielhang der Planai in Schladming. Das Angebot lockt nicht nur junge Männer: "Man findet Fahrer jeder Altersklasse - diese beschränken sich nicht nur auf junges Publikum. Die Fahrer, die früher ,jung’ angefangen haben, urlauben jetzt mit der Familie", sagt Günter Pekoll von den Planai Hochwurzen-Hochwurzenbahnen, selbst ein begeisterter Mountainbiker. Von den 130.000 Gasteintritten der Planaibahn im Sommer sind derzeit fünf Prozent Radfahrer - Tendenz steigend.

Um es Bikern so bequem wie möglich zu machen - und den Innenraum der Gondel nicht zu beschädigen oder verschmutzen - wird entweder in jeder zweiten Gondel eine Sitzbank ausgebaut und die andere mit einer Plane abgedeckt oder es gibt eine Aufhängevorrichtung für Räder. Im Tal angekommen, stehen Waschplätze für die Räder bereit. Eigene Bikehotels und -shops haben sich auf die Sportler eingestellt.

Wer keine eigene Ausrüstung besitzt, kann sich etwa in Saalbach-Hinterglemm ein Freeride- oder Downhill-Bike für 39 bis 79 Euro pro Tag und Sicherheitsausrüstung um 20 Euro ausborgen. "Biker lassen dementsprechend viel Geld im Ort", sagt Bernhard Niederseer, Marketingverantwortlicher der Bergbahnen Saalbach-Hinterglemm. Während Gäste in der Region mit der Joker Card die Seilbahnen kostenlos benützen können, zahlen Tagesgäste für die Lift-Tageskarte in Saalbach-Hinterglemm 34,50 Euro. Ein Bikepark-Tagesticket im Vorarlberger Brandnertal kostet 27,50 Euro.

Erst im August eröffnet wurde ein Mountainbike-Park auf der Petzen in Südkärnten mit einem knapp zehn Kilometer langen "Flow Country Trail" über 1000 Höhenmeter. Man wolle die Familien ansprechen, die mit speziellem Schotter versehene Strecke sei nie steil und auch nie gefährlich, sondern sollte Spaß vermitteln, so Petzen-Bergbahnen-Geschäftsführer Alfred Pajancic.

Mit dem Bike-Park auf der Petzen soll der Sommerbetrieb der defizitären Bergbahn abgesichert werden, teilte der Eigentümer, das Land Kärnten, mit. In der kommenden Saison rechnet Pajancic mit 5000 bis 8000 Besuchern. Zwei Jahre lang wurde der Park gebaut, in das gemeinsame Förderprojekt haben EU, Land, Tourismusregion und die Marktgemeinde Feistritz ob Bleiburg 635.000 Euro investiert. Für die Umsetzung wurde mit 27 Grundbesitzern erfolgreich verhandelt.

Immer wieder Konflikte mit Naturschützern

Immer wieder kommt es zu Uneinigkeiten beim Bau der Bikestrecken, mitunter muss auch die Streckenführung geändert werden, um Konflikten mit Grundeigentümern aus dem Weg zu gehen, heißt es von Seilbahn-Vertretern. Bedenken hatten Naturschützer auch beim Bikepark Brandnertal. Mit dem Park werde in ökologisch sensibles Gelände eingegriffen, durch den Bikepark sei mit einer zunehmenden Beunruhigung in der bisher wenig frequentierten und verhältnismäßig ruhigen Landschaft zu rechnen, äußerte etwa die Naturschutzanwaltschaft Vorarlberg in einem Brief Bedenken.

Letztendlich haben sich die Tourismus- und Seilbahn-Vertreter durchgesetzt: Heuer Mitte August wurde in der Gemeinde Bürserberg Vorarlbergs erster Bikepark eröffnet - und Biker können Strecken mit klingenden Namen wie "Tschack Norris" und "Tschäck the Ripper" hinuntersausen.