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Tennisspieler besiegt die EU

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

EuGH: Aus dem Flugzeug geholter Wiener hätte Schläger mitnehmen dürfen. | Flüssigkeitsverbot wird überarbeitet. | Brüssel/Wien. Begonnen hatte es mit einem leicht erhöhten Lautstärkepegel, dann folgten tumultartige Szenen und schließlich wurde der Wiener Tennisspieler Gottfried Heinrich von der Polizei am Flughafen Wien Schwechat aus dem startklaren Ferienflieger geholt. Grund der ganzen Aufregung im Jahr 2005 waren die Tennisschläger, die Heinrich im Handgepäck mit in den Türkei-Urlaub nehmen wollte. Diese seien laut einer geheimen EU-Liste nämlich nicht an Bord von Flugzeugen erlaubt, erklärte das Flughafensicherheitspersonal damals unerbittlich. Zu Unrecht, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag urteilte.


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Weil der Anhang des EU-Gesetzes für Flugsicherheit, in dem die verbotenen Gegenstände aufgelistet waren, niemals im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurde, habe er auch niemals bindende Rechtswirkung für einzelne Bürger entfalten können, befanden die Luxemburger Richter. Das Gericht, das den Anhang der EU-Verordnung ebenfalls nicht einsehen durfte, folgte mit seinem Urteil dem Gutachten der Generalanwältin Eleanor Sharpston. Sie hatte im April 2008 gefordert, das ganze Regelwerk wegen der Informationslücke für inexistent oder zumindest für ungültig zu erklären.

Heinrich zeigte sich nach dem Urteil zufrieden: "Der Rechtstaat und das EU-Rechtssystem funktionieren", sagte er zur "Wiener Zeitung". Den Vorfall hatte er damals nicht auf sich sitzen lassen wollen und sich beim Verwaltungssenat Niederösterreich beschwert, der wiederum den EuGH um Hilfe bei der Rechtsauslegung gebeten hatte. Damit war Heinrich gegen nichts weniger als die Rechtsmeinung der mächtigen EU-Kommission angetreten.

Der Sprecher von Verkehrskommissar Antonio Tajani erklärte in einer ersten Reaktion, dass die Liste niemals geheim gehalten worden sei. Schließlich habe es schon im Jänner 2004 eine Pressemeldung gegeben. In dieser war allerdings nur von einem Verbot von "Schlagwaffen wie Totschläger, Schlagstöcke, Baseballschläger und ähnliche Gegenstände" die Rede.

Kein Schadenersatz

Trotz des nun erfolgten Urteils entsteht aber keine rechtliche Lücke. Die Europäische Union hatte bereits im Sommer 2008 eine neue Verordnung erlassen und deren Anhang auch veröffentlicht. An Bord verboten ist demnach unter anderem "jedes stumpfe Instrument, das Verletzungen hervorrufen kann". Als Beispiele werden unter anderem Paddel, Angeln, Billard-Stöcke, Baseball- und Golfschläger genannt - Tennisschläger werden auch hier nicht erwähnt.

Im Fall des österreichischen Tennisspielers muss jetzt der Landesverwaltungssenat Niederösterreich das Verfahren fortführen. Heinrich erwartet jedoch, dass es sich dabei nur noch um ein reine Formalität handeln wird. An eine Schadensersatzklage denke er derzeit nicht. 600 Euro hatten ihn die Umbuchung des Flugs und diverse andere Aufwendungen der kuriosen Aktion gekostet. Zwar habe er dem Flughafen angeboten, diese Summe seinem Tennisverein WAT-Brigittenau als Spende zu überweisen, erzählt Heinrich. Doch das sei abgelehnt worden. "Im Ernstfall schreibe ich das Geld ab", sagte er.

Er fliege sei dem damaligen Zwischenfall auch weiterhin stets mit seinen Tennisschlägern im Handgepäck, berichtet Heinrich. Weder die 30 Jahre davor noch danach habe es jemals ein Problem gegeben.

Weniger Probleme werden Flugpassagiere bald auch bei der Mitnahme von Flüssigkeiten an Bord haben. Im April 2010 soll die berühmte Liste der verbotenen Gegenstände erneut überholt und zusammengestrichen werden. Das gesamte Flüssigkeitskapitel soll fallen. Voraussetzung dafür ist allerdings, die flächendeckende Ausstattung der EU-Flughäfen mit modernen Handgepäckscannern für Sprengstoffe in Gel- und Flüssigkeitsform. Ob der Zeitplan eingehalten werden kann, ist noch offen. Immerhin sollen die neuen Geräte rund 300.000 Euro pro Stück kosten.