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Hoffnung auf eine aktive Zivilgesellschaft - Bürgerbeteiligung als Zukunftsmodell.
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Die Anschläge in Paris haben ganz Frankreich geschockt und zu einem Zusammenrücken zivilgesellschaftlicher Bewegungen für Meinungsfreiheit und eine offene Gesellschaft geführt. Regierungschefs vieler Länder der Welt bekundeten ihre Solidarität mit den Opfern und ein noch entschlosseneres Vorgehen gegen den Terrorismus. EU-weit soll nun proaktiv gegen Terroristen vorgegangen und der Datenaustausch erleichtert werden.
Terroranschläge wie jener von Paris steigern zugleich den Zulauf zu rechtspopulistischen Parteien wie dem Front National in Frankreich oder zu rechten Bewegungen wie Pegida in Deutschland. Ihre Ziele sind der Schutz der "westlichen Kultur" und die Verdrängung des Islam aus Europa. Reale Bedrohungsängste, etwa vor islamistischen Terrorakten wie jenem in Paris, mischen sich mit xenophoben und rassistischen Elementen, die meist nur gefühlten Bedrohungen entspringen. Auch chauvinistische Züge trägt die neue Protestbewegung gegen die Islamisierung Deutschlands. Die Mehrheitsbevölkerung soll vor Minderheiten geschützt, der Besitzstand der Mittelschichten gegenüber Zuwanderern verteidigt werden. Der soeben verstorbene Soziologe Ulrich Beck sprach von "Wohlstandschauvinismus".
Stabile Demokratien halten Bewegungen wie Pegida oder auch rechte Parteien durchaus aus. Und es gibt ja auch Gegeninitiativen. Wir brauchen eine Doppelstrategie: Null Toleranz gegenüber Anwendung von Gewalt und terroristischer Betätigung sowie rassistischer Diskriminierung auf der einen, Sensibilität für vorhandene Bedrohungsängste und Respekt für unterschiedliche religiöse oder kulturelle Haltungen auf der anderen Seite. Demokratie basiert auf gleichen Rechten für alle, auf der Umsetzung der Bürgerrechte für alle sowie auf der Einhaltung der Bürgerpflichten durch alle.
Not tut ein offener und rationaler Diskurs. In diesem muss es auch darum gehen, den Stimmen jener Muslime Gehör zu verschaffen, die für Freiheit und Menschenrechte einstehen, und jene zarten Pflanzen zivilgesellschaftlicher Bewegungen in den muslimischen Diktaturen zu unterstützen, die sich eben dafür mit viel Zivilcourage einsetzen, statt Regime zu dulden, nur weil sie über Erdöl verfügen.
Bleibt die Hoffnung auf eine aktive Zivilgesellschaft. Mehr Bürgerbeteiligung allein kann die bestehenden Probleme nicht lösen, aber sie ist ein Beitrag, der in die richtige Richtung weist. Wenn Menschen ihre Ängste, Sorgen, Wünsche und Ideen artikulieren können, fühlen sie sich wahr- und ernstgenommen. Auch Bürgerengagement ist kein Allheilmittel gegen xenophobe Strömungen oder Gewalt. Doch Studien zeigen, dass Menschen, die sich in sozialen oder zivilgesellschaftlichen Initiativen engagieren, mehr Vertrauen in sich und andere sowie in Institutionen haben und zugleich weniger anfällig für fremdenfeindliche Haltungen sind. Bürgerengagement kommt der Gesellschaft somit doppelt zugute: Es belebt und unterstützt das Gemeinwesen und stärkt das soziale Kapital der Engagierten. Aufgabe kluger Politik ist es, dieses zu fördern und entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn: Mut-Bürger sind besser als Wut-Bürger, Mitmach-Gesellschaften stabiler als reine Protest-Gesellschaften.