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Tel Aviv - Es war "Mittelmeerabend" in dem Szene-Restaurant und Nachtclub in Tel Aviv. Irit Rahamim feierte mit ihren Freundinnen den Vorabend ihrer Hochzeit - bis Schüsse am frühen Dienstagmorgen Gesang und Tanz ein jähes Ende setzten.
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Erst feuerte der palästinensische Angreifer durch die Glasfront des Restaurants, dann stürmte er den "Seefood Market" und stach auf die Gäste ein. Drei Besucher wurden getötet, rund 30 verletzt. Irit Rahamim reagierte panisch. Ihren Freundinnen hat sie es zu verdanken, dass sie überlebt hat: Die zogen sie unter einen Tisch, als die ersten Schüsse fielen. Auch als der Angreifer längst erschossen und alles vorbei ist, kann Irit noch nicht begreifen, was geschehen ist: "Ich dachte, dass es aus ist, dass ich sterben muss", sagt sie verstört in einem Interview des israelischen Rundfunks.
Auf dem Anrufbeantworter ihres künftigen Ehemanns Liron hinterließ sie eine konfuse Nachricht, entschuldigte sich dafür, dass sie ihm versprochen hatte, dass es bei ihrer Hochzeit ein Feuerwerk geben werde - und es stattdessen jetzt nur Schüsse seien. 15 Minuten lang dauerte die Schießerei. Die Kugeln schlugen knapp oberhalb des Tisches, unter den sich die Frauen geflüchtet hatten, in die Wand ein.
"Ich sah einen großen Mann, der überhaupt nicht wie ein Araber aussah und der auf einen kleineren Mann einschlug", berichtet Restaurantbesucher William Hasan. "Ich dachte: Er schlägt den Angreifer. Dann stach der große Mann mir mit einem Messer in den Rücken. Erst da merkte ich, dass er der Terrorist war." Eine Sondereinheit der Polizei machte dem Amoklauf schließlich ein Ende.
Der Angreifer wurde als Ibrahim Hassuna identifiziert, ein 20-jähriger Palästinenser, Mitglied der Al-Aksa-Brigaden. Die Miliz, die der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Yasser Arafat nahe steht, bekannte sich nach Informationen des israelischen Rundfunks zu dem Anschlag; die Polizei erklärte, es handele sich um einen Einzeltäter. Dennoch forderte sie alle Restaurant- und Discothekenbesitzer in Tel Aviv auf, ihre Lokale zunächst zu schließen.
Nach dem Angriff bot der "Seafood Market" einen gespenstischen Anblick: die Glasscheibe völlig zersplittert, Blut auf dem Boden - daneben aber Korbstühle und Tische mit Servietten und Besteck, so als ob nichts geschehen wäre.
In den vergangenen Monaten galt Tel Aviv, eine Küstenstadt im israelischen Kernland, als "relativ ruhig". Zwar gab es wiederholt Anschläge militanter Palästinenser, doch im Vergleich zu den Einwohnern von Jerusalem und anderer israelischer Städte fühlten sich die Tel Aviver wieder sicherer. Der folgenschwerste Anschlag war im vergangenen Sommer. Damals hatte sich ein Selbstmordattentäter vor einer Disco in die Luft gesprengt und 23 Israelis getötet.
Er gehe immer in den "Seafood Market", um sich zu entspannen und den Gedanken an all die Gewalt in der Region abzuschütteln, schrieb der Journalist Natan Sahavi noch am Wochenende in der Zeitung "Maariv". Er war auch da, als die Gewalt in der Nacht zum Dienstag seinen Rückzugsort erreichte. "Ich saß ruhig da, versuchte, alles zu vergessen - dann fielen die Schüsse."