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Terror in Kairo war hausgemacht

Von Anne-Beatrice Clasmann

Politik

Verbindung zu Selbstmordattentäter Bashandi 2005? | 17-jährige Französin starb durch primitive Bombe. | 25 Verletzte. | Kairo. (dpa) Es ist eine primitive Bombe, die neben den jungen französischen Touristen explodiert. Sie steckt in einem schwarzen Plastiksack, wie man ihn überall in Ägypten bekommt, wenn man Obst auf dem Markt einkauft.


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Wahrscheinlich haben die Terroristen das Schwarzpulver für den Sprengsatz aus mehreren Gewehrpatronen zusammengefegt, die sie zuvor aufgebohrt und entleert hatten. Um die Zerstörungskraft ihres kleinen Sprengsatzes zu erhöhen, mischten sie noch eine Ladung billiger Nägel unter das Schießpulver.

Der Zeitpunkt für einen Anschlag ist günstig. Der traditionsreiche Kairoer Fußballverein Al-Ahly spielt an diesem Abend gegen Petrojet aus Suez, den Aufsteiger der Saison. Halb Ägypten verfolgt die Partie, die wegen eines Stromausfalls im Stadion von Suez länger dauert als erwartet, live im Fernsehen. Niemand nimmt Notiz von der kleinen Gruppe von Verschwörern, die vor der Hussein-Pension herumschleicht. Die Ägypter haben sich vorgenommen, im Schatten der großen Hussein-Moschee möglichst viele Ausländer zu töten, vermeintliche "Ungläubige", wie es im Wörterbuch des islamistischen Terrors heißt.

Der Sprengsatz explodiert. Blut fließt. Eine 17-jährige Französin stirbt, 25 weitere Menschen werden verletzt. Fromme Muslime, die sich zwischen dem Gebet zum Sonnenuntergang und dem Abendgebet in der Hussein-Moschee aufhalten, hören Schreie und laufen herbei. Diese Moschee, die als besonders heiliger Ort gilt, dürfen Nicht-Muslime nicht betreten, anders als die auf der anderen Straßenseite gelegene Azhar-Moschee.

Der Anschlag ereignet sich nur rund 300 Meter von dem Ort entfernt, an dem am 7. April 2005 der 18-jährige Selbstmordattentäter Hassan Bashandi zwei ausländische Touristen mit in den Tod gerissen hat. 23 Tage später, am 30. April 2005, attackierten ein weiterer Selbstmordattentäter und zwei tief verschleierte Frauen in Kairo erneut Touristen. Nach offizieller Darstellung erschoss damals eine der beiden Frauen die andere, bevor sie die Waffe gegen sich selbst richtete.

Einige Beobachter halten es nun für möglich, dass zwischen dem Anschlag von damals und dem jüngsten Attentat nicht nur eine ideologische Verbindung besteht, sondern dass die Angreifer vom Sonntag Bashandi vielleicht sogar kannten. Was aus Sicht der Experten feststeht, ist, dass die Angreifer vom Sonntag weder zu internationalen Terrorgruppen aus dem Dunstkreis der Al-Kaida Verbindungen hatten noch zu den Selbstmordattentätern, die bei Terroranschlägen in drei Sinai-Badeorten zwischen 2004 und 2006 mehr als 120 Menschen getötet hatten. Denn, so argumentieren sie, Nagelbomben sind nicht der Stil von Al-Kaida.

"Der Anschlag von gestern Abend war hausgemachter Terrorismus, möglicherweise sogar ein Überrest der Attacken von 2005", erklärt Diaa Rashwan vom ägyptischen Al-Ahram-Zentrum für strategische Studien. Den Sicherheitskräften dürfe man keinen Vorwurf machen, sagt er: "Diese Art von primitiven Attacken kann keine Polizei der Welt verhindern."

Elf Festnahmen

(apa) Nach dem tödlichen Anschlag auf den Touristenbasar haben die Behörden elf Verdächtige festgenommen. Bei den Verhafteten handelt es sich um ägyptische Staatsbürger, die sich alle zur fraglichen Zeit am Tatort aufgehalten hätten, verlautete aus Polizeikreisen. Die Polizei entdeckte später noch einen zweiten Sprengsatz und brachte ihn kontrolliert zur Explosion. Die meisten Verletzten, Jugendliche aus einem Vorort von Paris, waren auf einem Schulausflug in Kairo, wie der Bürgermeister ihrer Heimatstadt, Patrick Balkany, mitteilte. Der Großteil der Reisegruppe ist bereits nach Hause gereist.

Der Fremdenverkehr ist eine der Haupteinnahmequellen Ägypten. Im Vorjahr kamen rund zwölf Millionen Touristen. Der Groß-Imam der Al-Ashar-Universität in Kairo, Mohammed Sajjed Tantawi, nannte den Anschlag feige und kriminell. Die Täter hätten ihre Religion und ihr Land verraten und verzerrten das Bild des Islam.