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Terror-Prozess: "Ich hab‘ nicht gewusst, was Krieg bedeutet"

Von Daniel Bischof

Ein Paar soll die Terrormiliz IS unterstützt haben, im Prozess gaben die beiden nun Einblicke in ihre Motive.


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Mit seinem drei Monate alten Sohn und seiner Frau reiste T. im September 2013 aus Wien zur türkisch-syrischen Grenze. Baby und Frau ließ der gebürtige Steirer in der Türkei zurück, als er nach Syrien ging. Dort warteten bereits Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf ihn. Sie drückten ihm eine Kalaschnikow in die Hand. "Ich hab damals nicht gewusst, was Kampfhandlungen bedeuten, was Krieg bedeutet", erklärt der 32-Jährige vor Gericht.

Was T. und seine Frau zu der Reise veranlasst hat, damit beschäftigt sich am Dienstag ein Terrorprozess am Wiener Straflandesgericht. Angeklagt sind fünf Personen, die sich für den IS betätigt haben sollen. Darunter sind zwei Männer, einer von ihnen ist T., die laut der Anklage in Syrien für die Terrormiliz gekämpft haben. Der Frau von T. wird vorgeworfen, den IS unterstützt zu haben, indem sie ihren Mann begleitet und sein Handeln mitgetragen habe. Während T. teilweise geständig ist, bekennt sich die Frau nicht schuldig.

Er sei aufgrund einer Muslima, die er kennengelernt habe, konvertiert, sagt der 32-Jährige. Radikalisiert habe er sich durch die Vorträge des "Hasspredigers" Mirsad O. alias Ebu Tejma. Dieser wurde in einem anderen Verfahren rechtskräftig zu 20 Jahren Haft verurteilt. im Wiener Terror-Prozess ist er ebenfalls angeklagt. Er soll T. und einen weiteren Angeklagten angestiftet haben, sich in Syrien dem IS anzuschließen. O. legte zum Prozessauftakt vorige Woche ein reumütiges Geständnis ab und bekannte sich zum Großteil schuldig.

"Der Mann hat das Sagen"

In Wien lernte T. dann seine spätere Frau kennen. Diese hatte sich ebenfalls dem radikalen Islam zugewandt, nachdem sie regelmäßig in eine einschlägige Moschee in Wien gegangen war. "Es wird dir alles beigebracht in der Moschee", erklärte sie vor Gericht. So sei dort gelehrt worden, dass "der Mann das Sagen hat". Und: "Man darf nicht fragen, wieso - es ist einfach so", sagt die heute 30-Jährige. Wählen gehen sei ein Tabu gewesen, "weil man dadurch zu einem Ungläubigen wird". Damals sei sie auch "vollverschleiert" gewesen, sagt die Frau.

Im Umfeld der Moschee habe sich herumgesprochen, dass sie alleine war. Daher sei ihr T. vorgestellt worden: "Er war streng gläubig." Wenig später heirateten die beiden und zogen zusammen. In der Ehe habe sie streng befolgen müssen, was T. von ihr verlangt habe. Sie habe auch nicht alleine einkaufen gehen dürfen, schildert die Angeklagte.

Im September 2013 machte sich das Paar zur türkisch-syrischen Grenze auf. Sie sei mitgegangen, weil sie T. gehorchen habe müssen, so die Frau: "Was hätte ich sonst machen sollen?" Dass er alleine nach Syrien weiterziehe, habe sie nicht gewollt: "Ich wollte, dass er bei uns bleibt. Wir hatten gerade ein Baby bekommen", schildert sie. "Wie hat er erzählt, dass das Leben ausschauen würde?", fragt der Vorsitzende des Geschworenengerichts. T. habe gesagt, dass er zwischen Syrien und der Türkei hin und herpendeln würde, antwortet sie.

T. gibt zu, als Auslandskämpfer nach Syrien gegangen zu sein. Ihm sei damals aber "nicht klar gewesen, was der IS ist". "Ich bin mit der Absicht nach Syrien gegangen, dort zu helfen. Natürlich zu helfen mit Kämpfen, aber nicht wegen der Scharia." Er habe sich einer tschetschenischen Kampftruppe angeschlossen, um mit der Freien Syrischen Armee gegen das Assad-Regime zu kämpfen.

Als er von Kampfjets bombardiert worden sei, sei er überzeugt gewesen, "dass ich sterbe": "Von dem Tag an war für mich klar, dass ich so schnell wie möglich raus will." Er habe den IS-Kämpfern vorgespielt, sich in der Türkei ein Auto zu besorgen und sei zu Frau und Kind zurückgereist.

Im Dezember 2013 kehrten sie nach Österreich zurück. Anschließend reiste T. nach Saudi-Arabien, um dort zu studieren und mehrere Jahre zu leben. In dem Land habe er sich allmählich "von dieser Ideologie" gelöst. Die Zeit in Medina habe dazu beigetragen, dass ich heute "normal da sitze, mit einer normalen Einstellung".

"Ich war damals Abschaum"

Vor Gericht zeigt sich der Steirer geläutert: "Ich habe die Reise gebraucht, damit ich weiß, wie wertvoll unser Land ist", sagte er über seine Heimat. Es könne nur die liberale Demokratie als Staatsform geben, denn er habe gelernt, was es heiße, nicht in einer solchen zu leben. Dort sei man "schnell weg vom Fenster", wenn man eine abweichende Meinung vertrete.

"Aus heutiger Sicht" erkenne er die Dinge, die er getan habe, sagt er mit brüchiger Stimme. Er sei dort hingegangen, von wo anderen Menschen geflohen seien. "Ich bin nicht bemitleidenswert, ich war damals Abschaum."

Religion spiele in ihrem Leben keine Rolle mehr, sagt seine Frau. Sie habe sich deradikalisiert und vom Glauben abgewandt. Vor Gericht sitzt sie ohne Kopftuch und mit langen, offenen Haaren.

Der Prozess wird heute, Mittwoch, fortgesetzt. Befragt werden soll dann der Hauptangeklagte I. Dieser soll laut Anklage in Syrien Morde angeordnet haben. In einer Kleinstadt nördlich von Aleppo soll er sieben Schiiten mit Messern die Köpfe abschneiden haben lassen. Der Mann weist die Vorwürfe zurück.