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Terror-Prozess in Wien gestartet

Von Daniel Bischof

Die Angeklagten sollen den IS unterstützt haben. Sie bestreiten das.


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Wien. Mit Gewehren bewaffnete Wega-Beamte sichern den Gerichtssaal ab. Eine Sicherheitsschleuse wurde davor aufgebaut, jeder Zuhörer wird genauestens kontrolliert. Einige Minuten vergehen, dann erscheinen die Angeklagten. Von Justizwachebeamten in kugelsicheren Westen werden sie in den Saal gebracht.

Eine gute Stunde später, nach den Eröffnungsplädoyers, wird mit der Fünftangeklagten die erste Person vernommen. Sie sitzt wegen einer fortschreitenden Muskelerkrankung im Rollstuhl. Ein Justizwachebeamter schiebt den Holzstuhl, der vor dem Zeugenpult steht, beiseite, die junge Frau, eingehüllt in einen schwarzen Hijab, fährt nach vorne.

Sie und vier junge Männer müssen sich am Dienstag vor einem Schöffensenat des Wiener Straflandesgerichts verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Wien hat sie wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und kriminellen Organisation angeklagt.

Sämtliche Angeklagte bekennen sich zu den Terror-Vorwürfen nicht schuldig. Bei den Männern handelt es sich großteils um schmächtige Personen mit noch knabenhaften Gesichtern. Nur der muskulöse Viertangeklagte sticht mit seinem langen Bart und seiner Löwenmähne heraus.

Einschlägig vorbestraft

Im Mittelpunkt des Prozesses steht aber der 21-jährige Erstangeklagte, der einschlägig vorbestraft ist. Er ist der Ehemann der Fünftangeklagten und wurde bereits früh radikalisiert. Sein Stiefvater ging 2014 nach Syrien, um für den IS zu kämpfen. Im Mai 2015 wollte der damals 17-Jährige ihm nachfolgen, von Prag nach Istanbul fliegen und die türkisch-syrische Grenze überwinden.

Tschechischen Beamten fiel sein gefälschter Pass auf. Er wurde festgenommen und 2016 zu 21 Monaten teilbedingter Haft verurteilt. Seine bedingte Entlassung wurde widerrufen, nachdem er nicht zur Bewährungshilfe gegangen war und sich auch nicht dem angeordneten Deradikalisierungsprogramm unterzogen hatte. Nach Absitzen seiner Strafe soll er weiter für den IS tätig gewesen sein: Laut Anklage hat er unter anderem die Ausreise dreier Islamisten nach Syrien organisiert.

Bei seiner erneuten Festnahme wurde zudem Propagandamaterial des IS sichergestellt. Darunter befanden sich Bilder und Videos von Hinrichtungen, wie der Richter erklärte. "Ich verfolge die Nachrichtenkanäle des IS, weil ich dort Familie habe", sagte der 21-Jährige dazu. "Solche Sachen" würden dort "auch gepostet" und wären ohne sein aktives Zutun auf seinen Geräten gelandet: "Man kommt nicht drum hin, wenn man solche Medien verfolgt." Er heiße den IS nicht gut, erklärte der junge Mann.

Auch seine Frau, die Fünftangeklagte, bestreitet, den IS unterstützt zu haben. Sie befindet sich im Gegensatz zu den vier männlichen Angeklagten nicht in U-Haft.

Die Tschetschenin floh mit ihrer Familie, als sie neun Jahre alt war, nach Österreich. Der Bruder der schwer kranken Frau ging nach Syrien, wo er für den IS kämpfte. Der Angeklagten wird vorgeworfen, ihm als auch ihrem Mann ideologisch beigestanden zu haben. "Mögest du belohnt werden!", soll sie ihrem Bruder etwa geschrieben haben. Die Nachricht sei zwar von ihrem Account verschickt worden, doch sei der Verfasser jemand anderes gewesen, sagt sie. Viele Menschen hätten Zugriff auf ihr Handy.

Gutachten attestiert Störung

Nicht schuldig bekennt sich auch der Drittangeklagte, ein 19-jähriger Österreicher. Ein psychiatrisches Gerichtsgutachten attestiert ihm eine Persönlichkeitsstörung, Spielsucht und Intelligenzminderung, er sei zudem gefährlich. Im Fall eines Schuldspruchs hat die Staatsanwaltschaft Wien daher beantragt, dass er auch in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wird.

Den Vorwurf der Anklage, dass er seine Wohnung für Treffen von IS-Mitgliedern zur Verfügung gestellt haben soll, bestreitet er. Man habe dort nur Videospiele gespielt, sagt sein Verteidiger.

Ein Urteil gab es noch nicht: Die Verhandlung wird demnächst fortgesetzt.