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Terror, Trump und Trauma

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert.

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Je mehr der Islamische Staat (IS) im Irak und in Syrien unter Druck gerät, umso mehr scheint die Strategie der Dschihadisten in den USA und in Teilen Europas aufzugehen.

Anfang 2015 erschien im IS-Online-Magazin "Dabiq" ein zehnseitiges Editorial. Darin versucht "der Islamische Staat verzweifelt, den frühen ideologischen Antagonismus zwischen dem imperialistischen modernen Westen und seinen traditionalistischen Feinden neu zu erfinden", wie der indische Essayist und Schriftsteller Pankaj Mishra in der aktuellen Ausgabe des Intellektuellenblatts "Lettre" schreibt.

Im Heiligen Krieg kann es für die "Do-It-Yourself-Dschihadisten" (Zitat Pakaj Mishra) keine "Grauzone" geben. Im Online-Magazin "Dabiq" wurde Osama bin Laden mit dem Satz zitiert: "Bush sagte die Wahrheit, als er meinte, ihr seid entweder mit uns oder für die Terroristen - wobei die eigentlichen Terroristen die Kreuzzügler sind." Es gehe darum, die Muslime aus der "Grauen Zone" zu vertreiben: Sie sollen entweder mit dem IS - auf Arabisch unter "Da’ish (ad-Dawlah al-Islamiyah fi’l-Iraq wa-sh-Sham) bekannt - kollaborieren oder sie würden von den Dschihadisten wie "Kafir" (Ungläubige) behandelt.

Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump, gegen den selbst die kratzbürstigsten europäischen Rechtspopulisten wie sanfte Faserschmeichler erscheinen, wird mit seiner Forderung, allen Muslimen die Einreise in die USA zu verwehren, nun zum gar nicht so unfreiwilligen geistigen IS-Kollaborateur - wenn es um die Verengung der Grauzone für Muslime geht. Denn für Leute wie Trump ist jeder Muslim ein potenzieller Terrorist - doch jede Marginalisierung und Diskriminierung von Muslimen spielt dem IS in die Hände. Plus: "Indem sie im Dunkeln aufeinander einschlagen, bestätigen die ignoranten Armeen der Ideologen der jeweils gegnerischen Seite die von dieser ersehnte Richtigkeit ihres gehätschelten Selbstbilds", schreibt Mishra in der Herbst-Ausgabe von "Lettre". Im Klartext: Erst ein klares Feindbild schafft ein feines Selbstbild.

Der Westen darf nicht zulassen, dass der IS, jetzt wo er auf dem Schlachtfeld in die Defensive gerät, dank politischen Wirrköpfen wie Trump den ideologischen Kampf gewinnt und Muslime in die Armee der Radikalen getrieben werden. Kampf gegen den Terror heißt auch, dass Stimmen der Vernunft Populisten und Verbalradikalen kompromisslos und mit Verve entgegentreten.