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Terrorakt heizt religiösen Hass an

Von Arian Faal

Politik
Tausende Schiiten protestierten im Irak nach der Zerstörung der Goldenen Moschee von Samarra. Foto: reut/Muhammad

Zwei Minarette des schiitischen Heiligtums eingestürzt. | Es droht neues Blutvergießen zwischen Sunniten und Schiiten.


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Wien/Bagdad. Als "schwarzen Tag für den Irak" bezeichnete ein Anrainer den neuerlichen Extremistenanschlag auf die Goldene Moschee von Samarra vom Mittwoch. Es war ein gezielter Terrorakt auf einen der wichtigsten Wallfahrtsorte der Schiiten, der für die politische Spitze des krisengeschüttelten Irak Erinnerungen an die bürgerkriegsähnlichen Tage im Februar 2006 hervorrief.

Denn der damalige erste Anschlag von mutmaßlichen Anhängern des Terrornetzwerkes El Kaida auf die Goldene Moschee, bei dem die Kuppel des symbolträchtigen Bauwerks der Schiiten stark beschädigt worden war, hatte eine Spirale der Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten ausgelöst, die bis heute anhält. Hier wurde mittels Terrorismus versucht, die religiöse Gewalt weiter anzufachen, sagte der Verwalter der schiitischen Heiligtümer im Irak, Saleh el Haidiri, gegenüber AFP.

Diesmal wurden die beiden Minarette der Moschee vollständig zerstört. Es seien vor der Explosion der Sprengsätze auf dem Gelände der Moschee, das von Einheiten der Armee und des Innenministeriums bewacht worden sei, mehrere Mörsergranaten eingeschlagen, sagt die irakische Polizei. US- und irakische Soldaten haben im nördlich von Bagdad gelegenen Samarra Ermittlungen aufgenommen. Als Sofortmaßnahme rief die irakische Regierung umgehend für die Hauptstadt Bagdad eine Ausgangssperre aus. Ab drei Uhr nachmittags Ortszeit (13 Uhr MESZ) durften die Bewohner ihre Häuser bis auf weiteres nicht mehr verlassen, ordnete das Büro von Ministerpräsident Nuri al-Maliki an.

Sunniten in Panik

Der Anschlag ist ein weiteres Anzeichen für das gespannte Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten im Land. Die Angst vor einem "schiitischen Halbmond" im Nahen Osten, der von Libanon im Westen bis zum Iran und Irak im Osten reicht und von Teheran angeführt wird, sitzt den Sunniten im Nacken.

Letztere, die nach dem Sturz der schiitischen Fatimidendynastie in Ägypten (969-1171) die Regionalpolitik beherrschten, fühlen sich seit dem Irakkrieg in der Defensive. Es ist eine Ironie, dass dank des Krieges gegen Saddam Hussein am Ende eine iranfreundliche, schiitische Mehrheit die Macht in einem Staat übernahm, der vorher zentraler Bestandteil des sunnitischen Lagers war.

Dieser Machtwechsel und die Tatsache, dass die etwa 140 Millionen Schiiten zwischen dem Libanon und Pakistan in den vergangenen Jahren wieder ungehindert zu den großen Heiligtümern wie der Großen Moschee von Samarra im Irak pilgern konnten, hat zu einer schiitischen Renaissance in der Region geführt. Obwohl schiitische Geistliche die Regierung mehrfach kritisiert hatten, weil diese sich mit der Reparatur der goldenen Kuppel nach dem ersten Anschlag viel Zeit gelassen habe, versuchten sie nach dem Gewaltakt in mehreren Fernsehstationen zu kalmieren. Die Fortführung des Blutvergießens müsse auf jeden Fall verhindert werden, so der Tenor. Schiitenführer Moktada al Sadr rief seine Anhänger dazu auf, Ruhe zu bewahren. Mit Spannung erwartet wird auch die Reaktion des schiitischen Oberhauptes im Irak, Groß-Ajatollah Ali al-Sistani, der nach den Anschlägen von 2006 zu Protesten aufgerufen hatte. Sistani mahnte die Menschen damals allerdings zugleich, friedlich zu demonstrieren und untersagte ausdrücklich Übergriffe auf sunnitische Moscheen, was ungehört blieb.

Journalist entführt

Unterdessen entführten Unbekannte einen irakischen Star-Journalisten. Der Herausgeber der staatlichen Zeitung "al Sabah" wurde im Bagdader Stadtteil Sadr aus seinem Auto gezerrt. Der Irak gilt weltweit eines der gefährlichsten Länder für Journalisten. Es ist das laut "Reporter ohne Grenzen" der achte Journalist, der dieses Jahr im Irak entführt wurde.