Sich ständig mit Sicherheitsbedrohungen auseinanderzusetzen, ist schlecht für den Gemütszustand. Die Terrorgefahr darf aber auch nicht totgeschwiegen werden.
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Es ist ein großer Unterschied, ob Menschen über Sicherheitsbedrohungen offen informiert oder mit aufrührerischen Terrorwarnungen zu Tode erschreckt werden. Die Regierung von US-Präsident Barack Obama versucht dankenswerterweise, die Hitzigkeit aus ihren Veröffentlichungen zu nehmen. In den vergangenen Wochen ist jedoch die Information selbst zu knapp ausgefallen.
Der Raum Washington ist immer eine Art Sicherheitsengpass. Dennoch war es außergewöhnlich mitanzusehen, wie vor dem CIA-Eingang am Dienstag drohend die Waffen geschwungen wurden - sodass sogar ein altgedienter Mitarbeiter laut fragte, was denn hier los sei. CIA-Sprecher George Little wollte auf Anfrage keine Details nennen, sondern bemerkte dazu nur allgemein: "Die Sicherheit im CIA-Hauptquartier gestaltet sich immer wieder anders und ist stets von größter Dringlichkeit, ob man nun etwas davon sieht oder nicht."
Komplizierter nimmt sich die Sicherheitslage allerdings vor den deutlichen Warnungen aus, die in letzter Zeit in Frankreich, Großbritannien und Deutschland ausgesprochen wurden. Gut wäre es folglich zu wissen, ob die zuständigen US-Behörden diese Einschätzung einer erhöhten Terrorgefahr teilen. Seit Freitag stelle ich diese Frage daher immer wieder. Bisher habe ich allerdings nur folgendes Statement (vom Sprecher des National Counterterrorism Centers) erhalten: "Irgendetwas ist immer los."
Prinzipiell stimme ich ja Obamas Ansatz zu, den Fehler seines Vorgängers zu vermeiden und Gefahren nicht künstlich zu übertreiben. Es bleibt jedoch die Notwendigkeit, sachlich zu informieren, gerade damit die Öffentlichkeit Terrorismus als Teil unseres modernen Lebens verstehen lernt und nicht als existenzielle Katastrophe.
Für eine rechtzeitige öffentliche Diskussion über aktuelle Terrorbedrohungen müssen die Aussagen anderer Regierungen ernst genommen werden, die in diesem Fall wachsende Besorgnis ausdrücken. "Alles steht auf Rot, es blinkt von allen Seiten", sagte der französische Terrorabwehrchef Bernard Squarcini am 19. September gegenüber der Zeitung "Le Monde". Schon am 10. September hatte er in einem Interview mit dem "Journal du Dimanche" gewarnt, dass die Gefahr eines Terroranschlags in Frankreich "noch nie größer war".
Der deutsche BKA-Chef Jörg Ziercke teilte am 5. September dem "Tagesspiegel" mit, dass seit Anfang 2009 eine wachsende Anzahl in Deutschland Ansässiger in Terrorausbildungscamps war und heute 131 von ihnen als "potenzielle Anstifter" eingestuft werden müssen. 70 von ihnen sollen das paramilitärische Training abgeschlossen und 40 auch Kampferfahrung an der Seite der Aufständischen in Afghanistan gesammelt haben. Wie sieht es mit vergleichbaren Zahlen in den USA aus?
Auch der Chef des britischen Geheimdienstes MI-5, Jonathan Evans, sprach Warnungen aus, bezogen auf den Jemen und Somalia: "Eine große Anzahl in Großbritannien Ansässiger" habe eine Terrorausbildung von Al-Shabaab, einer somalischen Zweigorganisation der Al-Kaida erhalten; es sei nur noch eine Frage der Zeit, wann der Terrorismus in den Straßen Einzug halte.
Was sagen die Verantwortlichen in den USA dazu? Sind die Befürchtungen angemessen oder übertrieben? Leider kann ich Ihnen darüber keine Auskunft geben, weil alle meine Anfragen bis Redaktionsschluss unbeantwortet blieben. Die USA sollten sich nicht ununterbrochen wie besessen mit Terrorgefahren auseinandersetzen. Das ist schlecht für den nationalen Gemütszustand. Der Terrorismus darf aber auch nicht gänzlich totgeschwiegen werden.
Übersetzung: Redaktion David Ignatius war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post". Originalfassung