Washington - Traditionell zwei Jahre nach der Kür des Präsidenten sind die rund 200 Millionen wahlberechtigten Bürger der USA am 5. November wieder zur teilweisen Wahl ihrer Volksvertreter gerufen: Bei den "mid-term-elections" zum amerikanischen Kongress werden das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel der US-Senatoren neu gewählt. Zusätzlich stehen bei den diesjährigen "Halbzeit-Wahlen" auch die Gouverneursposten von 36 US-Staaten zur Disposition.
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Der Kongress ist das oberste Gesetzgebungsorgan der Vereinigten Staaten und besteht aus zwei Kammern, dem Senat und dem Repräsentantenhaus. Im Senat ist jeder der 50 Einzelstaaten unabhängig von Größe und Bevölkerungszahl mit je zwei auf sechs Jahre gewählten Mitgliedern vertreten. Dem Repräsentantenhaus gehören 435 Abgeordnete an, die Staaten sind entsprechend ihrer Bevölkerungszahl unterschiedlich stark vertreten, jeder Staat entsendet jedoch mindestens einen Abgeordneten.
Der Senat ist bei den Wahlen vom 5. November das am heftigsten umkämpfte Schlachtfeld: Die Demokraten halten derzeit die denkbar knappe Mehrheit von nur einer Stimme. Der 68-jährige Jim Jeffords aus Vermont war im Mai 2001 aus der republikanischen Partei ausgetreten und hatte damit für die nunmehrige demokratische Mehrheit von 50 zu 49 gesorgt.
Zur Wahl stehen auch diesmal wieder 34 Senatssitze, und die Demokraten hegen die Hoffnung, ihre Mehrheit auszubauen, da sie davon nur 14 und die Republikaner 20 Sitze zu verteidigen haben. Politische Beobachter sehen das Rennen um die Kontrolle im Senat aber trotzdem zu knapp für eine einigermaßen verlässliche Prognose.
Im Repräsentantenhaus stellen die Republikaner derzeit 223 Abgeordnete, die Demokraten 208. Ein Sitz wird von einem unabhängigen Abgeordneten gehalten, drei (einer aus Hawaii, zwei aus Ohio) sind derzeit unbesetzt. Die Demokraten, die hier seit 1995 nur mehr die zweite Geige spielen, hoffen, den Trend diesmal umzudrehen und auch im "House" wieder die Mehrheit zu erringen.
Bei den Gouverneuren halten die Republikaner derzeit die Mehrheit. Aber die Demokraten hoffen auch hier auf Zugewinne, weil - wie bei den Senatoren - auch hier diesmal weniger "ihrer" Amtsinhaber ihren Posten verteidigen müssen als Republikaner.
Die diesjährigen Wahlen bieten zusätzlich eine nur alle zehn Jahre auftretende Besonderheit: Die Anzahl der Abgeordneten pro US-Staat wird auf Basis einer ebenfalls alle zehn Jahre durchgeführten Volkszählung neu festgelegt. Für die meisten Staaten ändert sich nichts, einige aber gewinnen oder verlieren Mandate. So zum Beispiel in Mississippi, das einen seiner bisher fünf Wahlkreise verliert. Nun rittern am 5. November die bisherigen Mandatsinhaber von zwei Wahlkreisen, der Republikaner Charles W. "Chip" Pickering und der Demokrat Ronnie Shows um ein verbleibendes Mandat.
Einfluss der Irak-Politik
Über die Auswirkungen von Präsident George W. Bushs Irak-Politik auf die Zwischenwahlen ist schon viel spekuliert worden; soviel sei gesagt, dass sich Präsidentenberater schon seit dem 11. September 2001 vom "rechten" Thema Nationale Sicherheit auch innenpolitischen Aufwind erhofft haben. Bushs steil aufsteigende Umfragekurve ist seither ungebrochen, obwohl die Zustimmung der Amerikaner zu einem Waffengang nach Bagdad sehr stark schwankt. Daneben konnte der Präsident, der für viele republikanische Gouverneure, Kongressmitglieder und - kandidaten Wahlkampfauftritte und Galadinners absolvierte, seiner Partei innerhalb dieses einen Jahres schon mehr Spendengelder erreden und erwinken als sein Vorgänger Bill Clinton in zwei Amtsperioden zusammen. Im Hinblick auf die Kongresswahlen haben die Demokraten jedenfalls schon im Sommer ihre Zustimmung zur jüngst ausgestellten Kriegsvollmacht signalisiert, um nicht als vaterlandslose Gesellen dazustehen. Ihren Wahlkampf haben sie vor allem mit Hinweis auf Bushs fallierender Wirtschaftspolitik geführt - Stichwort Enron -, also mit einem innenpolitischen Thema. Und traditionell ist den amerikanischen Wählern das Hemd näher als die Hose.