Geachtet wird auf jedes Detail - von Wartezeiten bis zum Outfit der Verkäufer. | Testkäufe dürfen nicht als Druckmittel gegen Mitarbeiter eingesetzt werden. | Wien. Beim Betreten des Modegeschäftes wird die Kundin von den beiden Verkäufern ignoriert. Das Geschäft wirkt zwar sauber und ordentlich, aber die gesuchte Tasche ist nicht lagernd - und vor der Kassa heißt es fünf Minuten in der Schlange warten. Nach dem Einkauf wird die Kundin der Filiale ein schlechtes Zeugnis ausstellen - denn sie ist als Mystery Shopperin im Auftrag der Modekette unterwegs, um das Service und die Beratung in der Filiale zu testen.
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Im Fragebogen, den die Testkäufer nach dem Kauf ausfüllen müssen, wird bis ins Detail nachgefragt - das kann so weit gehen, dass angegeben werden muss, wie viele Lampen in der Deckenbeleuchtung kaputt sind. Die Kriterien variieren je nach Auftraggeber: Bewertet wird etwa, ob die Mitarbeiter in der Filiale freundlich gegrüßt haben oder ob sie sich an die Vorschriften für Kleidung und Haarstyling halten.
Mit Mystery Shopping sollen subjektive Einkaufserlebnisse nach objektiven Kriterien bewertet werden. Dazu werden Details abgefragt, die dem Kunden sonst nicht aufgefallen wären.
Kunden wechseln schnell zur Konkurrenz
Von 1000 bis zu 80.000 Euro geben Firmen für einen Mystery Shopping-Durchgang aus. Mit dem Simulieren von Einkaufssituationen können sie zeitnah herausfinden, ob ihre Vorgaben im Kundenkontakt umgesetzt werden und ob Mitarbeiterschulungen - etwa zum Verkauf von Zusatzprodukten - fruchten. Kontrolliert wird auch, ob die aktuellen Werbeprospekte in der Filiale aufliegen und die Verkäufer über Werbeaktionen Bescheid wissen.
Bei der Drogeriekette dm sind die Erkenntnisse der Testkäufer Basis für individuelle Zielvereinbarungen und nötige Weiterbildung ihrer Beschäftigten.
Ziel ist es, das Service zu verbessern. "Ein negatives Einkaufserlebnis erzählt man viel eher weiter als ein positives", sagt Gerlinde Scholler vom Mystery Shopping-Dienstleister Checkbaseone, der über einen Pool von 3000 nebenberuflichen Testern in Österreich verfügt. Außerdem beschweren sich viele Kunden nicht, wenn sie schlecht beraten werden oder unzufrieden sind, sondern wechseln beim nächsten Mal einfach zur Konkurrenz.
Um das zu vermeiden, schickt etwa der Sportartikelhändler Intersport Eybl jährlich 28 Testkäufer in die Megastores und 16 in die Eybl Shops. Auch bei Sports Experts überprüfen 12 bis 18 Mal im Jahr Mystery Shopper jede Filiale, vor allem zur umsatzstarken Zeit vor Weihnachten und Ostern. Im Anschluss an den Testkauf outet sich der Testkunde und gibt dem Shopleiter Feedback zu seinen Erkenntnissen.
Mit der Stoppuhr inder Warteschlange
Der Mystery Shopper gibt seine Identität zwar während des Testkaufes nicht preis - doch die Mitarbeiter erfahren, dass in ihrer Filiale in einem bestimmten Zeitraum Mystery Shopper unterwegs sind. Dies zählt zu den Richtlinien des internationale Verbandes Mystery Shopping Providers Association (MSPA), der weltweit 300 Mitglieder zählt. "Kündigen die Firmen Testkäufe an, gehen die Mitarbeiter positiver damit um", berichtet Scholler.
Barbara Pfundtner, Geschäftsleiterin des Mystery Shopping-Dienstleisters MSM Austria, wehrt sich gegen den Vorwurf der Mitarbeiterkontrolle: "Der Testkauf ist eine Momentaufnahme. Jeder kann einmal einen schlechten Tag haben." Es gehe nicht darum, Mitarbeiter zu diskreditieren oder sie aufgrund einzelner schlechter Bewertungen zu kündigen. Zwar müssen Testkäufer oft den Namen des Mitarbeiters, der sie beraten hat, notieren. So wird sichergestellt, dass der Testkäufer auch wirklich in der Filiale war. Häufig wird der Name aber nicht an den Auftraggeber weitergegeben.
Getestet wird nicht nur im Handel, sondern auch in Fitnessstudios, Banken und Tankstellen. Fast-Food-Ketten lassen erheben, wie schnell die Kunden bedient werden und ob die Burger nach Vorschrift zubereitet werden. Fluggesellschaften testen, ob die Sicherheitsvorgaben eingehalten werden. Auch in Hotels werden Tester geschickt ("Mystery Guesting"). Zusätzlich lassen einige Händler wie Intersport Eybl ihre Sicherheit von speziell geschulten Testdieben überprüfen.
Nicht nur der stationäre Handel, sondern auch Service-Hotlines und Internet-Kundendienste werden geprüft. Hier wird erhoben, wie schnell geantwortet wird und wie auf Beschwerden reagiert wird.
Angesichts der vielen Einsatzmöglichkeiten lauern unter den unzähligen Mystery Shopping-Anbietern einige schwarze Schafe. Die MSPA warnt daher vor unseriösen Anbietern, die potenziellen Testkäufern bei der Bewerbung Geld abknöpfen.