Ärztekammer-Präsident Wechselberger spricht von "Spionen in den Arztpraxen".
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Wien. Das neue Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, das im Zusammenhang mit der Steuerreform derzeit im Nationalrat behandelt und noch vor der Sommerpause beschlossen werden soll, sieht den Einsatz von sogenannten Testpatienten - auch Mystery Shopping genannt - vor.
Die Ärztekammer ist darüber empört und fürchtet, dass das Vertrauen zwischen Arzt und Patient dadurch massiv gestört wird. Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger sprach am Mittwoch von "Spionen in Arztpraxen". Solche Methoden hätten in einem Rechtsstaat nichts verloren. Der Einsatz von Testpatienten im großen Stil, wie die Regierung das nun plane, sei nichts anderes als "eine Pauschalverurteilung der Bevölkerung und deren Behandler" und werde das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient massiv schädigen.
Bisher hat dieses Kontrollinstrument von allen Krankenkassen nur die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) eingesetzt. Schon das bewertet die Ärztekammer als umstritten, obwohl die WGKK in zwei ausjudizierten Fällen vom Verfassungsgerichtshof recht bekam. Seit 2011 seien allerdings nur acht Arztpraxen - von 1600 Vertragspartnern (ohne Zahnärzte) - mittels Testpatienten kontrolliert worden, sagt der Leiter der Gruppe für Betrugsbekämpfung in der WGKK, Franz Schenkermayr, zur "Wiener Zeitung". Diese Mystery-Tester würden nur dann eingesetzt, wenn eine massive Verdachtslage vorliege. Wenn es etwa anonyme Anzeigen gebe, wenn die Wahrnehmungen durch Patientenbefragungen einen Missbrauch nahelegen würden. Beispiele sind laut WGKK etwa, wenn die Ordinationshilfe Krankenstandsbewilligungen oder Rezepte ausstellt, ohne mit dem Arzt Rücksprache zu halten. Andere Beispiele sind etwa, wenn Ärzte einen Krankenstand ohne Grund bewilligen oder dass Medikamente verschrieben werden, die nicht für den Patienten, sondern einen Verwandten im Ausland bestimmt sind. Schenkermayr betont allerdings, dass diese Testpatienten nur mit den Ärzten sprechen würden, nicht mit den Patienten.
Arbeitnehmer sind 13 Tagepro Jahr im Krankenstand
Zum besseren Verständnis: Im Jahr 1993 sind die Arbeitnehmer in Österreich durchschnittlich 15 Tage im Jahr im Krankenstand gewesen, im Jahr 2000 waren es 14 Tage, 2006 war mit 12 Tagen ein Tiefstand erreicht, jetzt sind es rund 13 Tage im Durchschnitt.
Das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz sieht vor, dass in Zukunft alle Sozialversicherungsträger Testpatienten in Arztpraxen schicken können, die dafür eigens angefertigte E-Cards haben. Einen eigenen Prüfplan dafür soll der Hauptverband der Sozialversicherungsträger erstellen. Wie sich diese Regelung tatsächlich auf das Verhältnis zwischen Arzt und Patient auswirkt, wird wohl auch davon abhängen, wie breit diese Testpatienten eingesetzt werden.
Wenn der Prüfplan vorsieht, dass jährlich zehn Prozent der Arztpraxen kontrolliert werden, dann empfindet das der Ärztekammerpräsident "so, als würde man mit Kanonen auf Spatzen schießen". Denn tatsächlich würden diese Kontrollen nicht sehr viel Erhellendes liefern. Auch in der WGKK gibt man zu, dass man das Budget mit Mystery Shopping nicht retten werde, aber es könne "ein Mosaiksteinchen für ein besseres Sittenbild" sein. In der Wirtschaft sei Mystery Shopping üblich, warum sollte das nicht auch im Gesundheitssystem funktionieren, heißt es aus der WGKK. Diese hat seit 2011 zwar 900.000 Euro finanziellen Schaden durch Missbrauch aufgezeigt, allerdings seien das Abrechnungsbetrügereien oder bloß Abrechnungsirrtümer gewesen. "Der Großteil der Vertragspartner (Ärzte) rechnet völlig korrekt ab, aber die paar, die das System missbrauchen, schädigen es schon beträchtlich", sagt Schenkermayr.
Wechselberger hofft, dass das Gesetz nicht so beschlossen wird und vertraut auf die besseren Argumente.